Im Gespräch mit Georg Gallmetzer

"Landwirte sind die Apotheker der Nutzpflanzen."

In Südtirol gibt es kaum ein so kontrovers diskutierteres Thema, wie den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Während Hardliner unter den Pestizid-Gegnern das Schreckensbild von einem "Pestizidtirol" an die Wand malen, fühlen sich die anderen diffamiert und ziehen gegen ihre Gegner vor Gericht. Eine andere Gruppe, die "Arbeitsgruppe: Zukunft in der Landschaft" geht einen versöhnlicheren Weg. Insbesondere mit Informationsabenden versucht die Gruppe Land und Leute mit wissenschaftlich fundierten Informationen zum Pflanzenschutz zu sensibilisieren. So findet am 3. Juli im Hotel Four Points by Sheraton in Bozen ein Informationsabend statt, bei dem geklärt werden soll "warum wir den Pflanzenschutz nicht schätzen, ihn aber schätzen sollten". Zum Thema referiert Prof. Dr. Andreas von Tiedemann, seit 2020 Studiendekan an der Fakultät für Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen. VOX NEWS Südtirol hat sich mit dem Präsidenten der Arbeitsgruppe Georg Gallmetzer unterhalten. Er ist überzeugt, den Südtiroler Landwirten geschieht Unrecht. Landwirte seien in Wirklichkeit die "Apotheker der Nutzpflanzen". Ohne Pflanzenschutzmittel ginge es nicht.

Landwirte schützen die Natur. Im Bildausschnitt rechts: Georg Gallmetzer, Präsident der Arbeitsgruppe: Zukunft der Landwirtschaft

Landwirte arbeiten nicht nur mit der Natur, vor allem schützen sie sie. In Südtirol sehen das nicht alle so, besonders dann wenn‘s um den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln geht. So gibt es nahezu unversöhnlich zwei gegnerischen Fronten. Die einen, die im Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln (PSM), die einzige Möglichkeit sehen ihre Ernten vor Schädlingen und Schadpflanzen zu sichern und die anderen für die die Einschränkung des Einsatzes oder gar ein vollständiges Verbot von Pestiziden in der Landwirtschaft nicht schnell genug geht. Die Fronten sind in Teilen so verhärtet, dass die einen insbesondere im Ausland Südtirol als Tourismusregion in Frage stellen, die anderen sich durch Aussagen der anderen diffamiert fühlen und die Sache gerichtlich klären lassen. In diesem Konflikt tritt auf Seiten der Landwirtschaft immer wieder die "Arbeitsgruppe: Zukunft der Landwirtschaft" hervor, welche mit interessanten Informationsabenden über den wissenschaftlichen Ansatz versucht das schwierige Thema aus Sicht der Landwirtschaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So findet am 3. Juli 2021, mit Beginn um 19 Uhr, im Hotel Four Points by Sheraton in Bozen ein weiterer Informationsabend der Arbeitsgruppe statt. Als Referenten eingeladen hat die die Arbeitsgruppe den seit 2020 an der Universität Göttingen wirkenden Studiendekan der Fakultät Agrarwissenschaften Prof. Dr. sc. Agr. Andreas von Tiedemann. Tiedemann ist neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit für die Universität Göttingen auch Mitglied bei der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft, der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) sowie der British Society for Plant Pathology (BSPP) und der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft. Das Thema das Informationsabends "Warum wir den Pflanzenschutz nicht schätzen, ihn aber schätzen sollten."

VOX NEWS Südtirol hat im Vorfeld des Informationsabends mit dem Vorsitzenden der "Arbeitsgruppe: Zukunft in der Landwirtschaft", dem Südtiroler Landwirt und Obstbauern Georg Gallmetzer gesprochen und ein Interview geführt.

VOX NEWS Südtirol: Herr Gallmetzer am 3. Juli findet im Four Points by Sheraton Bozen, mit Beginn um 19 Uhr, ein weiterer Informationsabend zum Thema Pflanzenschutz statt. Prof. Andreas von Tiedemann referiert zum Thema "Warum wir den Pflanzenschutz nicht schätzen, ihn aber schätzen sollten." Warum sollten die Menschen denn den Pflanzenschutz schätzen?

Georg Gallmetzer: Bedenken wir mal das es circa 8 Milliarden Menschen gibt, bis 2050 circa 10 Milliarden. Pflanzenschutz sichert unsere Ernten, egal ob es Äpfel, Weizen, Gerste, Caffè oder Gemüse ist. Auch halten sie unsere Lebensmittel frei von Mykotoxinen, die für den Menschen äußerst schädlich sind, wie es uns damals im ersten unserer Vorträge Herr Prof. Dr. Rudolf Krska gezeigt hat, eine Koryphäe im Bereich der Mykotoxine weltweit. Wir brauchen nur die Lebenserwartung von 1850 mit heute vergleichen.

VNS: Dennoch, der Pflanzenschutz hat in der breiten Bevölkerung kein gutes Image – auch weil Pflanzenschutz mit dem Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verbunden wird. Wie ehrlich meinen es die Landwirte in Südtirol, wenn sie vom Schutz der Pflanzen reden und dann mit einem mit Chemikalien vollbeladenen Spritzwagen durch ihre Obstwiesen fahren um tierische Schädlinge und Schadpflanzen zu bekämpfen?

Georg Gallmetzer: Die Europäische Landwirtschaft ist eine der besten Weltweit. Wir verwenden nur PSM die von der EFSA (Anm. d. R.: "Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit" englisch "European Food Safety Authority") zugelassen worden sind, bei importierter Ware ist das selten der Fall. Deshalb meinen wir es ehrlich, denn Pflanzenschutz ist eine kostspielige Angelegenheit. Die Landwirte sind die Apotheker der Nutzpflanzen.

VNS: Gerade durch den über lange Zeit von Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler und rund 1000 Obstbauern angestrebten Pestizidprozess ist das Thema des Pestizideinsatzes in den letzten Wochen medial erneut hochgekocht worden. Wäre es nicht besser sich mit der gegnerischen Seite an einen Tisch zu setzen, als sich vor Gericht zu bekriegen?

Georg Gallmetzer: Der PSM-Prozess wird von der gegnerischen Seite nur hochgepuscht, mit Desinformationen die Bevölkerung beunruhigt, um Spendengelder zu generieren. Ich stelle ihnen eine Gegenfrage: wenn sie Herzprobleme haben gehen sie zu einem Kardiologen oder zum Friseur? Warum ich diese Frage stelle werden sich viele denken? Bei allen Respekt sollten hier zu diesen Thema Phytomediziner sprechen, Mykotoxikologen, Wissenschaftler, die sich Jahrzehnte damit beschäftigen. Aber nein, es sprechen Geschichtslehrer und Geschichtenschreiber, die nur eines im Sinn haben Spendengelder zu generieren. Und Schuld haben auch die Medien, denn der Gonzojournalismus lässt sich leichter verkaufen. Objektivität generiert keine Schlagzeile!

Georg Gallmetzer: "Die Bauern sind das Fundament jeder Gesellschaft"

VNS: Herr Gallmetzer, sprechen wir über die Rolle des Obstlandwirtes selbst. Wie notwendig ist denn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den zahlreichen landwirtschaftlichen Monokulturen des Landes?

Georg Gallmetzer: Absolut notwendig. Sehen sie die Agrarflächen sind seit dem Jahr 1948 um nur circa 1,3 Prozent weltweit gestiegen aber die Weltbevölkerung ist von 2,5 Milliarden auf 8 Milliarden gewachsen. Das ist eine Glanzleistung von der Landwirtschaft, von der aber niemand spricht. Die Bauern sind das Fundament jeder Gesellschaft, jede Gesellschaft brach ohne Bauern und Lebensmittel zusammen.

VNS: In Deutschland steht gerade eine Gesetzesänderung zum Insektenschutz zur Debatte. Heute (Anm. d. R.: Freitag, 25.06.2021) soll das Gesetz durch den Bundesrat endgültig auf den Weg gebracht werden. Die geplanten Änderungen schränken den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in bestimmten Naturschutzgebieten ein. Zum Gesetzespaket gehören auch Regeln zum Ausstieg aus dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat. Neben weniger Chemie soll es auch weniger Lichtverschmutzung geben. Landwirte sollen Ausgleichzahlungen erhalten. Dennoch sind Landwirte, wie in Bayern, über die neuen Bestimmungen frustriert, für Umweltorganisationen sind die Novellen hingegen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie betrachten Sie diese auch politische Entwicklung gegen chemische Pflanzenschutzmittel?

Georg Gallmetzer: Die Entwicklung im chemischen Pflanzenschutz geht weiter, denn auch die FAO (Anm. d. R.: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) erkannte im letzten Bericht das nur die Integrierte Landwirtschaft das Potenzial hat 10 Milliarden Menschen zu ernähren. Wenn wir Pflanzenschutzmittel einsparen wollen, sollten wir offen gegenüber der Cisgenetik sein. So wie die Forschung RNA-Impfstoffe im Eiltempo vorgebracht hat, wird es in Zukunft auch neue Technologien in den synthetischen Pflanzenschutzmittel geben. Denn mit Kupfer und Schwefelkalch werden wir nicht weit springen. Pflanzenschutzmittel haben auch andere positive Aspekte, denn sie tragen dazu bei das wir unsere Ressourcen schonen, sie helfen uns CO2 zu sparen, denn das ist ausschlaggebend, wenn wir was gegen den Klimawandel machen wollen. Jede Agrarfläche, die in Europa verloren geht, fördert die Rodung des Regenwaldes oder Feuchtgebiete, und da sind wir uns alle einig das wir das nicht wollen.

VNS: In Zusammenhang mit der Rolle des Obstlandwirtes, glauben Sie dass die die Bedeutung des Landwirtes und der Landwirtschaft bei den Menschen großteils in Vergessenheit geraten ist? Und in diesem Zusammenhang: Welchen Nutzen hat die Landwirtschaft und ihr angeschlossen der Landwirt für die Menschen?  

Georg Gallmetzer: Schuld an dieser Situation ist die schlechte Kommunikation der europäischen Bauernverbände, denn sie waren Jahrzehnte damit beschäftigt sich in Selbstdarstellung zu verlieren. Die Bevölkerung ist durch der hervorragenden Leistung der Landwirtschaft verwöhnt, denn die Regale sind immer voll, und die Lebensmittel noch viel zu billig. Auch werden Lebensmittel als Devisen gehandelt, z. B. um deutsche Autos nach Südamerika zu verkaufen, dafür Lebensmittel billig und unkontrolliert nach Europa zu bringen.

VNS: Steckt dahinter ein System?

Georg Gallmetzer: Ich vermute ja, denn es ist wie beim Schachspielen, man opfert den Bauer als Ersten. Leider steckt hier der Denkfehler der Politik, und zwar wird man vom Ausland abhängig, ein sehr gefährliches Spiel.

VNS: Welches Ziel verfolgt die Arbeitsgruppe: Zukunft der Landwirtschaft und welche Aufgabe stellt sich die Arbeitsgruppe?

Georg Gallmetzer: Das Ziel der Arbeitsgruppe ist es heikle Themen der Landwirtschaft aufzugreifen, die von der Bevölkerung interessiert angenommen werden, die dazugehörigen Wissenschaftler ausfindig zu machen und durch Vorträge und Aktionen die Mitmenschen aufzuklären.

VNS: Was erwarten Sie sich konkret von Prof. Tiedemann in seinem Referat zum Thema Pflanzenschutz. Glauben Sie, dass es ihm oder ihrer Arbeitsgruppe gelingen wird die Menschen davon zu überzeugen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln von den Menschen mehr und stärker geschätzt wird?

Georg Gallmetzer: Ja wir sind überzeugt, dass Herr Professor von Tiedemann mit sein Fachwissen die Menschen mitreisen wird. Denn Wissenschaft ist nicht trocken sondern sehr spannend.

VNS: Schuld am schlechten Image des Pflanzenschutzes in der Südtiroler Landwirtschaft haben natürlich zahlreiche, auch aus dem benachbarten Ausland, medial gesteuerte Kampagnen, welche die Menschen dazu bringen, im Pflanzenschutz eine Gefährdung für die Gesundheit eines betroffenen Teils der Bevölkerung zu sehen. Auch zahlreiche Falschmeldungen erleichtern nicht den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Südtiroler Landwirtschaft. Räumen wir mit den Falschmeldungen auf. Welches sind denn die inhaltlich falschen Meldungen, mit denen sich die Südtiroler Landwirte in der Obstlandwirtschaft konfrontiert sehen?

Georg Gallmetzer: Von denen gibt es unzählige. Ich mache Ihnen ein Beispiel. Die NGOs greifen sehr oft die Fungizide an, aber sagen nicht die ganze Wahrheit. Seit mehreren Jahren finden sich in den Lebensmitteln immer mehr sekundäre Metaboliten der Schimmelpilze. Nicht lange her fand man in der Biobabynahrung Aflatoxine (Bayrischer Verbraucherschutz). Aflatoxine sind nach Botox das Schlimmste für den menschlichen Körper, denn sie sind kumulativ, mutagen, cancerogen – und das mit Sicherheit. Auch findet man immer mehr Alternariole in Lebensmitteln, das sind sekundäre Metaboliten des Pilzes Alternaria Alternata, also jener Pilz, der an den Wänden in den Wohnungen wächst befindet sich auch auf unseren Lebensmitteln. Die NGOs wissen das aber desinformieren bewusst, denn sonst versickern die Spendengelder.

VNS: Welche weiteren Pläne hat die Arbeitsgruppe: Zukunft der Landwirtschaft?

Georg Gallmetzer: Unsere To-do-Liste ist lang und es wird uns nicht langweilig. Wir stehen bereits mit Wissenschaftler der Uni Belfast in Kontakt zum Thema: „Wie soll die Landwirtschaft 2050 10 Milliarden Menschen ernähren?“

VNS: Herr Gallmetzer, Danke fürs Gespräch.

Georg Gallmetzer: Ein Danke auch an VOX NEWS Südtirol.

 

Die Eckdaten zum Informationsabend der Arbeitsgruppe: Zukunft der Landwirtschaft

 
Wann:3.Juli 2021
Wo:Bozen, Four Point by Sheraton
Uhrzeit:Beginn: 19 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr
Thema:"Warum wir den Pflanzenschutz nicht schätzen, ihn aber schätzen sollten."
Referent:Prof. Dr. sc. agr. Andreas von Tiedemann, Studiendekan der Fakultät für Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen

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VOX News Südtirol / ts