Anfangs hat sich das Feld der Politik noch vor ihm ausgebreitet wie ein unbetretenes Schneefeld, inzwischen sind seine Schritte unverkennbar. Geblieben ist ihm der Blick von außen, der es ihm erlaubt, manche Dinge vielleicht in anderen Zusammenhängen zu sehen. Wir von VOX NEWS Südtirol haben uns mit Josef Unterholzner im Sommergarten unterhalten.
VOX NEWS Südtirol: Herr Unterholzner, Sie sind zur Politik gekommen wie die Jungfrau zum Kind, oder?
Josef Unterholzner: Nein, eigentlich viel einfacher. Nachdem ich 2016 die restlichen Anteile meiner Firma (Autotest AG) verkauft hatte, dachte ich zuerst, ich würde jetzt mal einfach nichts tun und das Leben genießen, nach 35 Jahren Selbständigkeit. Ich habe aber ziemlich schnell gemerkt, dass mir das nicht liegt. Ich bin als Macher geboren und als Unternehmer, und das kann man nicht einfach so abstellen. Ich brauche die Herausforderung. Die Art und Weise, wie Paul Köllensperger Politik gemacht hat, hat mir recht gut gefallen und so kam es nach ein paar Gesprächen zu meiner Kandidatur und Wahl. Seither bin ich mitgehangen mitgefangen.
VNS: Wie sehen Sie Ihre Entscheidung von damals aus jetziger Sicht?
Josef Unterholzner: Jetzt kann ich ganz klar sagen, dass ich kein typischer Politiker bin, werde ich auch nie sein. Dazu kann ich vielleicht zu wenig gut reden und Geschichten erfinden, außerdem bin ich ein Macher und ich will was weiterbringen, und das ist in der Politik nicht immer ganz einfach. Die Wähler haben mich in den Landtag gewählt und das weiß ich sehr zu schätzen und deshalb versuche ich auch, meine Arbeit so gut wie möglich zu machen, das bin ich meinen Wählern und jedem Bürger schuldig. Dafür bin ich ja da, um etwas für die Südtiroler Bevölkerung zu tun, so wie wir Politiker eigentlich alle. Es gibt allerdings ein paar Dinge, die das manchmal ziemlich erschweren.
VNS: … die da konkret wären?
Josef Unterholzner: Ja, vor lauter Machtranggelei verlieren manche Politiker das eigentliche Ziel aus den Augen, das ja immer ein Gemeinsames sein sollte, nämlich Entscheidungen zu treffen und Gesetze zum Wohle unserer Bürger zu machen. Mir geht es immer um die Sache, nicht um die Partei oder Fraktion oder anderes. Ich habe das als Unternehmer so gelernt und so lebe ich es auch in der Politik. Nur, wenn ich für die Sache arbeite, kommt etwas Gescheites dabei raus. Gewisse Befindlichkeiten muss man dann einfach um der Sache willen zurückstellen.
VNS: Sagen Sie mir auch ein Beispiel?
Josef Unterholzner: Ja, nehmen wir mal den berüchtigten Satz von SVP-Fraktionssprecher Lanz her: "Wir werden von unserem Recht Gebrauch machen." Punkt. Was soll man dazu sagen? Damit drückt er eigentlich nur aus, dass es ihm egal ist, was wir sagen, er zieht sein Ding durch. Blöd ist es, dass wir von der Opposition nichts mit der Regierung zu tun haben, wir haben keine Entscheidungsbefugnis, aber Fakt ist, dass wir ganze 45 Prozent der Wählerstimmen halten, deshalb sollte man uns schon anhören und ernst nehmen. Ich sehe die Regierung als eine Art Verwaltungsrat und uns als eine Art Aufsichtsrat, und so sollte auch miteinander umgegangen werden. Es müsste "normal" sein, dass wir mitreden dürfen und mitentscheiden, aber laut Gesetz entscheidet die Mehrheit. Und wenn dann Herr Lanz, der SVP-Fraktionssprecher, sagt: "Wir werden von unserem Recht Gebrauch machen", dann verhindert das ja schon jedes konstruktiv der Sache dienendes Gespräch und jede weitere gute Arbeit. Dann muss ich einfach sagen, ja, mache von deinem Recht Gebrauch, geh‘ über den Zebrastreifen, das ist auch dein Recht, aber wenn du tot unterm Auto liegst, dann nutzt dir das ganze gute Recht nichts. Ich verstehe einfach diese Logik nicht. Da fehlt einfach der gegenseitige Respekt, dem man den Anderen zollt, indem man sie anhört und ernst nimmt. Der tote Fußgänger hätte auch besser links und rechts schauen sollen. Es geht nur mit gegenseitigem Respekt, immer das gemeinsame Ziel vor Augen. Und daran mangelt es oft.
VNS: Wie gehen Sie als Macher mit den manchmal träge mahlenden Mühlen der Politik um?
Josef Unterholzner: Ja, das ist ein anderes Thema, das mir missfällt. Mich nervt dieses ganze politische Geplänkel. Ich will einfach, dass etwas Sinnvolles weitergeht und nicht in der Theorie stecken bleiben. Auch mit vielen Formulierungen tu ich mich schwer, mir scheint manchmal ich bin im falschen Film. Für mich heißt es: einfach, verständlich, logisch, und das ist nicht immer vereinbar mit vielen Abläufen in der Politik. Nehmen wir zum Beispiel die Hilfspakete her. Es geht viel zu langsam. Wir könnten uns da etwas von den Nachbarländern abschauen, da geht es ja auch, und es einfach umsetzen.
VNS: Woran liegt das Ihrer Meinung, dass es bei uns so zähflüssig läuft?
Josef Unterholzner: Ich weiß es nicht, wird schon sein, dass man Manches des Gesetzes wegen hundertmal absichern muss, aber ehrlich gesagt, ich versteh‘ es einfach nicht. Deshalb ist es für mich manchmal schwierig. Viele Debatten sind einfach verlorene Zeit. Sogar meine Kollegen sagen danach manchmal, wir diskutieren so lange über Dinge, die viel einfacher gehen würden. Und eigentlich wollen wir ja alle dasselbe, im Sinne und Interesse der Bürger zu arbeiten. Zu Beginn der Corona-Pandemie – ob es nun eine ist oder nicht – haben wir vom Team K beschlossen, die Oppositionsarbeit auszuklammern, uns mit den zuständigen Landesräten in Verbindung zu setzen und konstruktiv und aktiv mitzuarbeiten, weil wir jetzt alle zusammenhalten müssen und nicht gegeneinander, im Interesse und aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, und das habe ich auch gemacht. So könnte schon öfters sein.
VNS: Sie sind ja sozusagen der Wirtschaftsvertreter des Team K. Glauben Sie, dass auch einfache Arbeitnehmer sich von Ihnen unterstützt fühlen?
Josef Unterholzner: Ich mag diese Trennung Arbeitgeber-Arbeitnehmer nicht, weil es die eigentlich nicht geben sollte. Und bei mir gibt es sie auch nicht, auch nicht in der Politik. Ich arbeite für alle. Ich bin ich ein typischer Wirtschaftsmann und vertrete im Team K die Wirtschaft, aber um eine gute Wirtschaftspolitik zu machen, braucht es auch eine gute Sozialpolitik, und das hängt immer zusammen. Es hängen drei große Bereiche zusammen: die Wirtschaft, das Soziale und die Natur bzw. Umwelt, und keines von den dreien kann alleine funktionieren. Dessen sollten wir alle uns bewusst sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind ein Team, der eine kann ohne den anderen nichts tun. Es ist ein Kreis, und kein Trennstrich. Es geht nur gemeinsam, und ich kann eine Firma nur dann gut führen, wenn ich gute Mitarbeiter habe, die zur Firma stehen und auf die ich mich verlassen kann und umgekehrt. Auch der Arbeitnehmer muss sich auf die Position seines Arbeitgebers, auf dessen Fähigkeiten zur Unternehmensführung, sein Verantwortungsgefühl und seine Zuverlässigkeit verlassen können, um gut arbeiten zu können. Ich hatte mit meinen Firmen, und zuletzt hatte ich über 600 Mitarbeiter, ziemlich großen Erfolg, und noch heute halten meine ehemaligen Mitarbeiter zu mir, da ist immer noch eine sehr große Wertschätzung und Dankbarkeit da, etwas was ich in der Politik schmerzlich vermisse. Die Bevölkerung hat zu wenig Vertrauen in die Politik und die Politik hat zu wenig Vertrauen in die Bevölkerung, das ist mein Eindruck. Und genau das sollte unser Motiv sein, um etwas zu verändern und gegenseitiges Vertrauen und Respekt zu schaffen.
VNS: Wie ist Ihr Kontakt zur Bevölkerung, was glauben Sie?
Josef Unterholzner: Man gefällt nie jedem, aber meinen Kontakt zur Bevölkerung schätze ich als recht gut ein, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich rede wie ein normaler Mensch, verständlich eben, und manche Dinge etwas klarer und transparenter ausdrücke. Ich bin ja auch ein normaler Mensch. Die Leute sagen mir, es bräuchte mehrere solcher Leute, die weniger reden und mehr umsetzen. Wer nie praktisch gearbeitet hat oder nie ein eigenes Unternehmen geführt hat, sieht bestimmte Dinge einfach anders. Bei bestimmten Debatten tue ich mich deshalb schwer und es wundert mich auch dann nicht, dass die Leute die Politik nicht mehr ernst nehmen. Meine Rhetorik ist vielleicht auch leichter verständlich für den Bürger.
VNS: Sie wussten, dass ich das frage: Welches sind Ihre persönlichen Ziele?
Josef Unterholzner: Ich habe mir zuerst einmal den Bürokratieabbau auf die Fahne geschrieben, da steigere ich mich richtig hinein. Leider muss ich feststellen, dass die Gesetze immer schwieriger werden, zum Lesen und zum Verstehen, geschweige denn in der Umsetzung. Ohne Rechtsanwalt geht bald gar nichts mehr. Ich finde es einfach nicht in Ordnung, dass man nicht imstande ist, Gesetze zu schreiben, die verständlich und umsetzbar sind. Das neue Landesgesetz Raum und Landschaft ist das beste Beispiel dafür.
Zum Zweiten ist es mir ein großes Anliegen, dass die öffentliche Verwaltung sich von der Privatwirtschaft was abschaut und lernt, wie die Privatwirtschaft manche Prozesse und Abläufe der Privatwirtschaft lebt, leben muss, um zu überleben. Wie wird in der Privatwirtschaft gearbeitet, wie geht man dort mit Geld um, wie wird dort verhandelt und entschieden? Ich glaube, wir sollten einfach voneinander lernen, dies sollte eine Herausforderung von uns allen 35 gewählten Mandataren sein. Egal welche Partei, welchen Beruf, welche Hautfarbe: es braucht gegenseitigen Respekt, gegenseitiges Vertrauen und absolute Zuverlässigkeit, das sind die Voraussetzungen für eine gute Qualität in der Arbeit. Und wir sollten unbedingt Theorien und Pläne umsetzen und leben, schrittweise, sodass der Bürger sieht: Oh, da kommt etwas, vielleicht eine Kehrtwende?
VNS: Wie stehen Sie zum Thema "hohe Politikergehälter"? Sind Sie der Meinung, dass sich ein Politiker so viel Einkommen verdient?
Josef Unterholzner: Das kann ich nicht sagen, vielleicht nicht jeder, aber eines weiß ich ganz klar: Wenn ich in der Privatwirtschaft so viel und engagiert gearbeitet hätte wie in den letzten 6 Monaten in der Politik, so hätte ich das Drei- wenn nicht Vierfache verdient. Die Bevölkerung sieht oft nicht, wie viel gearbeitet wird und wie viel Verantwortung dahintersteckt. Das sage ich nicht nur, weil ich auch Politiker bin. Mir persönlich geht es sowieso nicht um Geld, seit dem Verkauf meiner Firma, könnte ich auch ohne Politik recht gut und sorglos leben. Allen, die munkeln, ich hätte meine Firma damals wegen finanzieller Probleme verkauft oder verkaufen müssen, der liegt weit daneben. Es war für mich eine klare Entscheidung, die ich auch nicht bereue. Genauso wie ich 1983 entschieden habe, zu beginnen, so habe ich 2016 entschieden, zu verkaufen.
VNS: Ich komme nicht umhin, Sie zu den Vorgängen der letzten Tage im sogenannten "Maskenskandal" zu befragen. Die NAS war bei Ihnen. Was ist da dran?
Josef Unterholzner: Ja, da war gar nichts dran. Ich habe aktiv geholfen, um Klarheit zu schaffen und den Kontakt zur deutschen Prüfgesellschaft DEKRA hergestellt, das ist alles. Die Carabinieri wollten die Korrespondenz sehen, die ich mit der DEKRA, mit Landesrat Widmann und mit Dr. Franzoni geführt habe. Zu Beginn der Diskussion um die Maskenbeschaffung habe ich im Landtag eine ganz klare Frage gestellt: "Erfüllen die Masken ihren Zweck, ja oder nein?" Und das ist meines Erachtens nur durch ein Gutachten zu klären.
VNS:…bevor man sie kauft….
Josef Unterholzner: Ja, dazu kann ich nur sagen, das ganze Corona-Thema hat uns alle aus heiterem Himmel überrascht. Nicht nur uns Politiker, uns alle. Keiner, ich nicht und kein anderer, hat gewusst, was kauf ich jetzt und was bekomme ich und was muss ich jetzt tun, schnell gehen sollte es ja auch. Wir waren alle überfordert, alle. In solchen Situationen kann es passieren, dass die eine oder andere Fehlentscheidung getroffen wird. Fehlentscheidungen gibt es immer, bei jemandem der entscheidet, das ist menschlich.
VNS: Welches sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft? Werden wir Sie eher im Liegestuhl in Ihrem Garten sehen oder auf dem manchmal unbequemen Landtagssitz?
Josef Unterholzner: Das weiß ich noch nicht, mal sehen. Jetzt arbeite ich erstmal diese Legislatur mit viel Einsatz weiter, und dann schauen wir mal. Vielleicht bin ich imstande, das eine oder andere zu bewegen. Und irgendetwas kommt von mir immer. Vor allem will ich meine Erfahrungen dieser langen und manchmal harten doch erfolgreichen Arbeitsjahre jedem zur Verfügung stellen, der es braucht und daraus lernen kann und will. Innerhalb und außerhalb der Politik.
VNS: Herr Unterholzner, ich bedanke mich sehr für Ihre Offenheit, so fühlt sich ein Gespräch gut an. Und verbringen Sie schöne Augusttage, manchmal vielleicht auch in Ihrem Liegestuhl im Garten.