Gelebte Demokratie heißt Mitbestimmung. In einem Parlament erfolgt das im Rahmen einer Einführung eines Gesetzes über Änderungsanträge. Mit 79 eingereichten Änderungsanträgen zu den Artikeln des von Landeshauptmann Kompatscher eingebrachten Gesetzes sowie weiteren 50 zu den Anlagen, war den Abgeordneten im Südtiroler Landtag nach einer intensiven Sitzung am Donnerstag im Plenum klar, dass es spät werden wird, bis jenes Landesgesetz verabschiedet sein wird, welches den Südtirolern wieder einen großen Teil ihrer wirtschaftlichen und privaten Freiheiten zurückbringen soll. Am 8. Mai, gegen 00:40 Uhr, war es dann auch so weit. Mit 28 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 6 Enthaltungen wurde das Landesgesetz zu landeseigenen Lockerungen der seit 2,5 Monaten aus Rom einseitig diktierten restriktiven Corona-Maßnahmen genehmigt.
Landeshauptmann Kompatscher hat sich dabei für einen der stärksten Wege entschieden, welche in einer parlamentarischen Demokratie beschritten werden kann. Er hat nicht - wie beispielsweise der italienische Ministerpräsident Conte über seine Notstandsdekrete - über Verordnungen die eigenständigen Lockerung aus dem italienweiten Corona-Shutdown, und somit auch persönlich haftend, angeordnet, sondern gegenüber Rom, über ein eigenes von der Mehrheit im Südtiroler Landtag auf den Weg gebrachtes Landesgesetz, Südtirols in den letzten Wochen arg drangsalierten Autonomie wieder Stärke verlieren. Die Rechnung ist sich mit der Verabschiedung des Gesetzes heute noch vor der ersten vollen Stunde des "8. Mai 2020" aufgegangen - vorerst aber ohne die Rechnung mit dem Wirt Italien zu machen.
Nachstehend ein Überblick über die beschlossenen eigenständigen Lockerungen:
Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es im Amtsblatt der Region veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung ist für heute Freitagnachmittag vorgesehen. Dies bedeutet, dass das Gesetz in der Praxis erst mit Samstag, 9. Mai umgesetzt werden kann.
Nach der erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt können sich alle Bürger / Bewohner Südtirols innerhalb des gesamten Gebietes der Region frei bewegen. Das Mitführen einer ausgefüllten Eigenerklärung ist dabei nicht mehr notwendig. Allerdings sind Menschenansammlungen aufgrund des hohen Risikos einer zweiten Verbreitungswelle des Virus weiterhin verboten. Alle Erwachsenen und alle Kinder ab dem Schulalter müssen einen Mund-Nasenschutz tragen und bei der Begegnung von Menschen, mit denen man nicht zusammenlebt, gilt die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von 2 Metern. Auch dürfen körperliche und sportliche Aktivitäten wie Tennis und Schwimmen im Freien wieder stattfinden. Auch hier gilt jedoch die Einhaltung des Sicherheitsabstandes. Kinder, unter Begleitung, Aufsicht und unter Einhaltung der notwendigen hygienischen und gesundheitlichen Maßnahmen, dürfen wieder Parks, Kinderspielplätze und Grünflächen benutzen.
Mit dem Landesgesetz wird auch eine Expertenkommission als beratendes Fachorgan des Landes eingesetzt. Aufgabe der Kommission ist es laufend die Infektionskurve des SARS-CoV-2-Virus zu monitorieren und bei Zunahme der Infektionen oder einer möglichen Überlastung der Kapazitätsgrenzen des Gesundheits- und Pflegesystems, dem Landeshauptmann geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung zu empfehlen.
Die Erläuterungen von LH Kompatscher, der Minderheitenbericht von Urzì, die Stellungnahmen von Dello Sbarba, Staffler, Foppa, Knoll, Köllensperger und Rieder zu Beginn der Landtagssatzung.
Es gehe in diesem Gesetz darum, die Voraussetzungen, Termine und Modalitäten für die Wiederaufnahme der Tätigkeiten zu regeln, wie LH Arno Kompatscher erklärte, zum zweiten gehe es - in der Anlage zum Gesetz - um die Sicherheitsauflagen, Abstände, Schutzmaßnahmen usw. Für jene Bereiche, zu denen das Gesetz nichts sage, würden weiterhin die Landesverordnungen bzw. die Staatsverordnungen gelten. Es gehe um Schritte zurück in die Freiheit, aber gebündelt mit Verantwortung.
Während Vorsitzende Magdalena Amhof auf die Verlesung des Berichts des I. Gesetzgebungsausschusses verzichtete, las Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore - Fratelli d’Italia) seinen Minderheitenbericht zum Entwurf vor.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies darauf hin, dass sich die Lage dauernd und sehr schnell ändere. Ganz Europa beschäftige sich jetzt mit Phase zwei, die länger und komplizierter sein werde. Alle Regionen verlangten eine Differenzierung, Kalabrien habe den Anfang gemacht. Das sollte Anlass sein, die Rhetorik etwas herunterzufahren, auch bei der SVP. Alle seien enttäuscht von der Erklärung Contes am Sonntag gewesen. Heute werde es bei der Regionenkonferenz einen Vorstoß zu einer regionalen Differenzierung geben. Er hoffe, das Dokument werde angenommen, denn dann werde die Differenzierung Prinzip - auf einen Tag mehr oder weniger komme es nicht an. Südtirols Umgang mit der Epidemie sei nicht optimal gewesen, die Sterberate sei höher als in den meisten anderen Regionen, die dritthöchste in Europa, weit höher als in Österreich und Deutschland. Es habe nicht die geeigneten Schutzmaßnahmen für Krankenhäuser und Altenheime gegeben. Man müsse klar vor einem weiteren Lockdown bei schlechteren Zahlen warnen. Bereits Churchill habe gewarnt, dass man eine Krise nicht vergeuden dürfe. Südtirol müsse sich Gedanken über das Gesundheitswesen und über das Recht auf Gesundheitsschutz machen. Die Erfahrung dieser zwei Monate lehre uns, dass es Dinge gebe, auf die man verzichten könne, aber auch, dass diese Krise nur ein Vorgeschmack auf die Umweltkrise sei, die sich abzeichne. Es brauche einen Wandel in der Lebensführung.
Hanspeter Staffler (Grüne) zweifelte, ob die Autonomie, die mit diesem Gesetz eingeforderte werde, mit der Autonomie des Statuts zu tun habe. Der Ansatz, eine Fachkommission zu schaffen, die Daten und Maßnahmen bewertet, sei nachvollziehbar. Aber die Kommission werde erst aktiv, wenn das Gesetz mit seinen Maßnahmen und Terminen bereits in Kraft sei. Die Logik würde verlangen, dass das Gesetz auf der Expertise der Kommission aufbaut. Verfassungsrechtler und ehemalige Abgeordnete, die er gehört habe, stuften diesen Entwurf als verfassungswidrig ein. Er habe den Eindruck, dass die Landesregierung dies wisse, aber mit diesem Gesetz Zeit gewinnen wolle. Dieses Gesetz greife in die Öffnungszeiten im Handel ein, also in eine staatliche Zuständigkeit. Der Landeshauptmann sei laut Statut für die öffentliche Sicherheit nur in genau aufgezählten Bereichen zuständig. Es gehe bei der Verabschiedung dieses Gesetzes auch um die rechtliche Verantwortung; bei Verordnungen liege sie beim Landeshauptmann, bei Landesgesetzen beim Landtag, und jeder Landtagsabgeordnete habe seinen Eid auf die Verfassung abgelegt. Es sei ihm recht, wenn die Betriebe wieder öffnen könnten, inhaltlich teile er die Maßnahmen des Gesetzes, aber er habe Zweifel zur Form. Wenn die Landesregierung diese Zweifel nicht ausräumen könne, tue er sich mit der Entscheidung schwer.
Dieses Gesetz ändere unseren Alltag ab morgen, und das Kind in ihr jubiliere, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). Aber sie spüre auch das Dilemma, das Staffler aufgezeigt habe. In diesen zwei Monaten habe man einen enormen Rückschritt in drei wichtigen Feldern feststellen könne. Es sei einmal die Rückkehr der starken Männer gewesen, die Frauen seien in den privaten Raum zurückgedrängt worden. Die Millionen, die in diesem Zusammenhang genehmigt wurden, würden erst zuletzt zu den Frauen gelangen. Einen Rückschritt habe es auch beim Frieden zwischen den Sprachgruppen gegeben, das habe man auch bei den Diskussionen über die Sicherheitsauflagen gemerkt. Die Debatte sei innerhalb der Sprachgruppen homogenisiert worden, andere Stimmen seien zu Volksverrätern deklariert worden. Der Grundton sei autoritär geworden. Der dritte Rückschritt liege im Umweltbereich. Dieses Thema werde nun als Luxus angesehen. Das Virus bringe mehr Raumbedarf mit sich, Abfälle würden wieder auf die Straße geworfen, Wegwerfgeschirr werde mehr verwendet. Auch sie habe sich von Conte mehr Öffnung erwartet, erklärte Foppa. Aber sie frage sich, ob das ein Autonomiethema sei, denn alle Regionen wünschten sich in dieser Sache mehr Entscheidungsfreiheit.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fand es bemerkenswert, wie leicht es sei, Bürger in Marionetten zu verwandeln und Grundfreiheiten einzuschränken. Hier hätten Politiker über privates Leben entschieden, und das sei hingenommen worden, aus Angst. Knoll bestätigte Foppas Eindruck, dass Kritiker zu Nestbeschmutzer gestempelt würden. Ein Politiker müsse seinem Gewissen folgen und aufstehen, wenn bei den Einschränkungen der Grundrechte eine Grenze überschritten werde. Man habe während der Krise schnell bemerkt, dass wir Südtiroler nicht die Besten der Welt seien. Knoll kritisierte die Eigenerklärung, die in anderen Ländern nicht verlangt werde. Die Vorschriften seien nur effizient, wenn sie von den Bürgern verstanden würden. Hier habe es zahlreiche Ungereimtheiten gegeben, etwa die Erlaubnis, Lebenspartner zu besuchen, aber mit 1 m Distanz. Manche Länder seien besser, manche schlechter mit der Krise umgegangen. Umso mehr müsse Südtirol hier seinen eigenen Weg gehen. Die hochgelobte Autonomie sei schnell vom Virus aus den Angeln gehoben worden. Gerade deswegen müsse man gegenüber dem Staat wieder darauf pochen. Südtirol habe eine andere Situation und ein anderes Gesundheitssystem als andere Regionen. Knoll kündigte eine Reihe von Abänderungsanträgen sowie seine Zustimmung zu einem Gesetz an, das Südtirol mehr Eigenständigkeit bringe.
Paul Köllensperger (Team K) sah einen Südtiroler Weg aus der Krise als das Ziel. Er kündigte eine Reihe von Änderungsanträgen an. In einigen Bereichen würden die Auflagen des Gesetzes, die präziser seien als die römischen, schwer einzuhalten sein. Viele Betriebe würden schließen und andere mitziehen. Jede Region sollte die Sache nach der eigenen Situation regeln können. Rom scheine diesbezüglich jetzt einzulenken. Wenn das Team K für dieses Gesetz stimme, dann, weil man Verbesserungen für alle Sprachgruppen wolle. Ohne Vertrauen in die Bürger und ohne Eigenverantwortung werde es nicht gehen. Die Betriebe bräuchten nun schnelle Hilfe. Die Beiträge würden jetzt ankommen, bei den Banken stocke es noch. Es zeichne sich eine Arbeitslosigkeit ab, die mit einem Gesetz nur abgemildert werden könne. Wenn man öffne, werde es mehr Neuinfektionen geben, daher brauche es viel mehr Tests, um die Infizierten isolieren zu können. Die SVP müsse sich entscheiden, ob es ihr Gesetz sein solle oder ein Gesetz des Landtags und damit aller Bürger. Wenn sie andere einbinde, werde es zu einem guten Ergebnis kommen.
Eine Demokratie lebe davon, dass es auch andere Meinungen gebe und dass alle gehört würden, meinte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Die Regeln, die man den Bürgern vorgebe, müssten klar und verständlich sein. In diesem Entwurf seien zu viele Möglichkeitsformen, etwa bei der Kinderbetreuung. Es sei unverständlich, wenn Tagesmütter nun nur noch 4 statt 5 Kinder betreuen dürften. Ein Notdienst werde für Grundschüler, aber nicht für Mittelschüler vorgesehen. Die große Unbekannte sei die Sommerbetreuung, die für viele Familien auch ein finanzielles Problem sei. Wichtig wäre auch, wenn die Sozialdienste sofort wieder starten könnten. Auch das Gespräch mit den Gewerkschaften sei zu suchen.
Die Sitzung wird um 14:30 h wieder aufgenommen.
Am Nachmittag wurde die Generaldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 52/20: Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-COV-2 in der Phase der Wiederaufnahme der Tätigkeiten (vorgelegt von LH Kompatscher) wieder aufgenommen.
Sie sei froh, dass man wieder hier sein könne, bemerkte Ulli Mair (Freiheitliche) und beleuchtete das Thema zunächst aus ihrer persönlichen Situation. Diese Phase sei für sie eine absolute Ausnahmesituation gewesen, aber ihr sei es nicht darum gegangen, sich sichtbar zu machen, politisches Kleingeld aus der Situation zu schlagen. Die Aufarbeitung der Fehler sei notwendig, aber das könne warten. Den Eindruck Foppas, dass der Kontakt zwischen den Sprachgruppen unterbrochen wurde, habe sie nicht, auch nicht, dass die starken Männer zurückgekehrt seien. Für die anstehende Öffnungsphase müsse man den den Bürgern Vertrauen schenken. Die vorgesehenen Regeln, etwa zu den Abständen, würden Verwirrung stiften. Viele Betriebe würden sich mit diesen Regeln schwer tun. Man sollt da etwas Interpretationsspielraum zulassen, damit die Betriebe bei Kontrollen nicht schikaniert würden - zuerst mahnen, dann strafen. Sehr wichtig würden Information und Sensibilisierung sein, denn das Verhalten sei noch nicht optimal. Mair bemängelte das fehlende Angebot für Mittelschüler, auch deren Eltern müssten zur Arbeit. Auch andere Dinge im Entwurf ließen sich verbessern, wenn der politische Wille dazu bestehe. Fitnessstudios gehörten in dieser Phase wahrscheinlich nicht zu den Prioritäten, aber auch sie wären in der Lage, die Bestimmungen einzuhalten. Das Gesetz sei nicht perfekt, aber sie werde dafür stimmen.
Sandro Repetto (Demokratische Partei - Bürgerlisten) stellte fest, dass die Regie bei diesem Gesetz allein in der Hand der SVP liege, während die Lega nicht präsent sei. Die angestrebte Beschleunigung berge Probleme, auch wenn man das Gesetz insgesamt unterstützen könne. Zu den Schwachstellen gehöre der mangelnde Lohnausgleich für den Tourismussektor. Viele meinte, sie könnten morgen oder übermorgen schon öffnen, da müsse man klar informieren. Die Woche Vorsprung gegenüber dem Rest des Staatsgebiets sollte man nutzen, um an der Sicherheit zu arbeiten, auch im Lichte der INAIL-Vorgaben. Repetto machte seine Entscheidung auch davon abhängig, was heute Nachmittag bei der Staat-Regionen-Konferenz herauskomme. Südtirol müsse garantieren, dass das Gesundheitssystem, das Schwachstellen gezeigt habe, halte, dass die staatlichen Vorgaben an die hiesigen Verhältnisse angepasst werden, unter Einbeziehung der betroffenen Branchen. Ebenso sei die Kommunikation zu verbessern. Repetto fragte schließlich LH Kompatscher, wie er sich verhalten werde, wenn der Staat heute auf die Forderungen der Regionen eingehe.
In diesen Tagen gehe es um viel, auch um Existenzen, bemerkte Franz Locher (SVP). Umso mehr müsse die Politik Verantwortung zeigen. Man sei heute nicht hier, um gegen den Staat oder die EU zu schimpfen, sondern auf die Zukunft zu schauen. Das Leben habe sich radikal geändert, und die Bevölkerung habe die Vorschriften eingehalten - das sei anzuerkennen. Sein Gedanke gehe besonders an die Familien mit Kranken oder Todesfällen, für die die Krisenzeit besonders schwer war. Die Südtiroler Arbeitswelt sei sehr vielfältig, und das sei auch eine Chance. Am schwersten betroffen sei aber der Tourismus. Was die Schule betreffe, so müsse man vor allem daran denken, dass sie im Herbst wieder starten könne. In anderen Ländern seien die Schulen geöffnet worden, und die Infektionskurve sei dennoch flach geblieben. Es sei richtig, dass Südtirol seine Zukunft selbst in die Hand nehme. Es sei der große Wunsch der Bevölkerung, wieder zu arbeiten, und das sei ein unglaublich positives Signal. Es sei ihm schließlich ein persönliches Anliegen, dass die typische Tiroler Religiosität wieder gelebt werden könne.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah den Geburtsfehler dieses Gesetzes darin, dass hier eine Partei den Streit mit Rom suche und mit Bruch drohe. Es sei ein Gesetz der SVP, nicht der Landesregierung. Die Situation in Südtirol sei nicht besser als in vielen anderen Regionen, die Epidemie sei noch nicht besiegt, man müsse also mit Vorsicht vorgehen, Schritt für Schritt. Es seien in dieser Krise viele Fehler gemacht worden, auch in der Kommunikation. Man habe den Betrieben nicht rechtzeitig helfen können, daher lasse sie man jetzt früher wieder arbeiten. Die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen seien nachvollziehbar, auch dass man hier etwas früher öffnen könne, aber das müsse im Einklang mit der Regierung geschehen. Nicolini fragte schließlich, wie man das Problem mit dem INAIL lösen wolle.
Mut könne sehr schnell zum Übermut werden, meinte Alex Ploner (Team K). Dieses Gesetz sei aber ein vorsichtiges Gesetz, in manchem zu vorsichtig. Man schenke den Menschen noch nicht volles Vertrauen. Im Detail sei oft schwer abzuschätzen, was richtig sei: 1 oder 2 Meter Abstand? Die Bestimmungen zur Schule würden einen Keil zwischen Lehrern und Eltern, aber auch zwischen Lehrern treiben. Die Kultur komme in diesem Gesetz zu kurz. Künstler könnten zwar arbeiten, aber sie lebten hauptsächlich von Veranstaltungen, und diese seien derzeit nicht möglich. Die Lehrerinnen und Lehrer würden dem Land die Bestimmung zur Kinderbetreuung übel nehmen. Bildung und Kinderbetreuung seien zwei verschiedene Dinge. Durch den Einsatz für die Kinderbetreuung würden viele Lehrer nun dem Fernunterricht fehlen. Abschlussklassen sollten sich noch einmal in den Schule sehen können, es sei wichtig, sich verabschieden zu können. Er hoffe jedenfalls, dass es mit diesem Gesetz gelinge, der Bevölkerung Angst zu nehmen.
Franz Ploner (Team K) sah es an der Zeit, die Öffnung zu wagen. Die Voraussagen der Virologen seien nicht immer eingetroffen. Dieses Gesetz sei keine Kriegserklärung gegenüber Rom, sondern die logische Konsequenz des bisher Geleisteten. Der Lockdown zerstöre das private und das öffentliche Leben. Wenn aber die Infektionszahlen wieder steigen, so müssten wieder Ausgangssperren verhängt werden. Das müsse der Bevölkerung auch klargemacht werden. Dieses Gesetz habe die Gesellschaft bereits gespalten; vielleicht habe man es nicht richtig kommuniziert. Bundestagspräsident Schäuble habe davor gewarnt, dem Schutz des Lebens alles andere unterzuordnen. Das größte Problem sei nicht diese Epidemie, sondern die Umwelt, der Klimawandel, daher werde vieles sich ändern müssen. Wenn die Regeln für den Ausstieg aus dem Lockdown vernünftig seien, würden sie von den Bürgern sicher angenommen. Man werde es schaffen, wenn man zusammenhalte.
Viele Bürger hätten ihm in dieser Zeit ihre Probleme geschildert, berichtete Peter Faistnauer (Team K): die Einschränkungen, die Angst um die Gesundheit, der Ärger über die Sanktionen. Einiges davon fließe in die eingereichten Änderungsanträge ein, etwa Ausnahmen für Grenzgebiete, die sich besonders schwer täten, oder die Bemühung um die Wiedereinführung der Voucher. Der Tourismus sei besonders betroffen und brauche besondere Aufmerksamkeit. Man sollte unseren Betrieben dieselben Standards gönnen wie in Österreich, u.a. mit einem Sicherheitsabstand von 1 Meter.
Josef Unterholzner (Team K) erinnerte an die Verantwortung, die dieses Haus derzeit habe. Die Leute würden nicht auf die Herkunft der Vorschläge schauen, sondern auf das Ergebnis. Das Gesetz müsse klar und gut verständlich sein.
Helmuth Renzler (SVP) äußerte grundsätzliche Skepsis zu Statistiken. Vor diesem Hintergrund habe er auch die Diskussionen der letzten Wochen verfolgt. Er dankte der Landesregierung für dieses Gesetz. Sie habe sich in derselben Situation befunden: Man wisse heute nicht, was die eigenen Entscheidungen morgen bewirkten. Ohne finanzielle Unabhängigkeit könne es keine Freiheit geben, meinte Renzler und verwies auf die Rentner, für die keine Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen seien. Dies sei nachzuholen. Die Politik sei in diesen Tagen massivem Druck und persönlichen Drohungen ausgesetzt gewesen. Manche würden auch eine Anzeige rechtfertigen. Es stimme, dass der Zentralstaat zu sehr in die Autonomie eingreife. Andererseits wünschten sich die deutschen Bundesländer in Gesundheitsfragen Vorgaben auf Bundesebene. Einige Maßnahmen der römischen Regierung seien durchaus sinnvoll gewesen, für die Zukunft sei aber ein eigenständiger Weg sinnvoller, bei Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. An erster Stelle sollte die Gesundheit stehen, nicht die Wirtschaft. Die öffentliche Hand sei zu schwerfällig, hier seien dringend Verbesserungen nötig. Der staatliche und der Landesbeitrag sollten kumulierbar sein. Renzler plädierte auch dafür, die Nullstellung beim Südtirolpass hinauszuzögern. Er wies schließlich darauf hin, dass es ein Abkommen mit den Gewerkschaften gebe, sodass Abs. 26-bis keinen Sinn mehr habe.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) legte Wert darauf, dass er Franz Ploner als Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vorgeschlagen habe. Die Konsequenzen des Lockdowns sei allen Selbständigen klar gewesen, und sie hätten sich eine Öffnung nach Ostern erwartet. Aber das sei nicht geschehen. Es sei gut, wenn Südtirol nun einen eigenen Weg einschlagen wolle. Das Gesetz habe Schwachstellen, der 2-Meter-Abstand sei zu viel, aber er kommen den Menschen entgegen, die wieder arbeiten wollten. Leiter Reber wies auf die 14 Änderungsanträge der Freiheitlichen hin, einer davon fordere die öffentliche Finanzierung der Kinderbetreuung bis Herbst. Er kritisierte, dass manche die Autonomie stets so interpretierten, als sei sie gegen die Italiener. Er kritisierte auch die Reaktion der Lega auf die Feueraktion der Schützen. Die SVP sollte die Wünsche der Bevölkerung ernst nehmen und den Ausbau der Autonomie angehen.
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) konterte auf die Äußerungen Nicolinis und betonte, dass der Gesetzentwurf auch seinen demokratischen Weg in der Mehrheit durchlaufen habe. Die Autonomie mache Schritte voran. Rom habe versprochen, aber nicht gehalten, das Land starte nun seinen Sonderweg. Die Südtiroler wüssten am besten, was für sie das richtige sei.
Die Bürger bräuchten jetzt eine Perspektive, meinte Helmut Tauber (SVP). In der letzten Verordnung Contes sei einiges nicht berücksichtigt worden, und dieses Gesetz wolle auch hier nachbessern. Wenn die Betriebe am Montag wieder öffnen könnten, könnten sie auch wieder planen. Nicht alle würden mit dem Gesetz zufrieden sein. Er selbst hätte gerne eine andere Bestimmung zu den Abständen, aber man müsse Verantwortung zeigen und mit der aktuellen Situation umgehen, im Bewusstsein, dass dieses Virus noch da sei. Das Gesetz räume auch die Möglichkeit für weitere Maßnahmen ein.
Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) betonte, dass nicht nur Südtirol einen Sonderweg wolle. Es wäre leichter, Rom die ganze Verantwortung zu überlassen, aber man müsse nun zwischen Risiko und Hunger entscheiden. Heute seien die Bürger viel besser vorbereitet, um die Verhaltensregeln einzuhalten. Das Gesetz enthalte eben solche Sicherheitsmaßnahmen, die vernünftig angewandt werden müssten, um verstanden zu werden. Die Betriebe zeigten bereits Verantwortung, denn auch sie fürchteten, dass sich Mitarbeiter oder Kunden anstecken würden. Der Vorwurf Nicolinis, man erkenne die Gefahr nicht, sei haltlos nach zwei Monaten Krise. Jeder hier wisse, worum es gehe. Es gehe nicht um ideologische Auseinandersetzungen mit dem Staat, sondern um einen praktischen und vernünftigen Umgang mit der Krise.
Magdalena Amhof (SVP) wies darauf hin, dass man der Erwartungshaltung der Bevölkerung in vielen Dingen nicht entsprechen werde, denn die Betonung liege weiter auf dem Gesundheitsschutz. Die Kinderbetreuung habe noch keinen festen Termin, weil viele Einrichtungen den Dienst nicht so schnell bieten könnten, aber auch weil viele Eltern noch Angst hätten.
Giuliano Vettorato (Lega) wehrte sich gegen die Kritik gegen den eigenständigen Weg. Am Sonntag seien alle von Conte enttäuscht gewesen. Die Gesundheit habe weiter Vorrang, aber der Lockdown habe die Bürger vieles gelehrt. Nun müsse man ihnen Antworten geben, wie es weitergehen solle. Und da habe jede Region ihre Besonderheiten. Auch wenige Wochen früher starten könne den Unterschied machen. Es sei schade, wenn man diese Situation politisch ausnutzen wolle. Wenn man den Eltern eine Betreuung für die Kinder biete, so habe das nichts mit Sezession zu tun, ebenso nicht, wenn die Läden wieder öffnen dürften.
Alle seien dafür, dass die Wirtschaft wieder anfangen solle, meinte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore - Fratelli d’Italia). Aber hier habe man die Regeln der Demokratie missachtet. Es sei nicht geschickt, mit Rom zu brechen, während man mit Rom über mehrere hundert Millionen verhandle. Diese Gelder wären gerade für die Wirtschaft wichtig, die nun allein in die Gefahr geschickt werde. Es habe Hilfen gegeben, aber die seien zurückzuzahlen. Urzì kritisierte, dass niemand an die Phase 3 denke, die Zeit, nachdem man bemerkt habe, dass in der Phase 2 die Kunden und Gäste ausgeblieben seien. Auch andere Regionen seien mit der Regierung unzufrieden, aber niemand habe die Auseinandersetzung so gesucht wie Südtirol.
Massimo Bessone (Lega) betonte, dass man mit der Öffnung nicht dem Druck der Wirtschaftslobby erliege. Es gehe vor allem um kleine Betriebe. Man wolle das Virus nicht kleinreden, aber man müsse auch an die Arbeiter und die Handwerker denken, nicht nur an die Einwanderer oder die Bezieher des Bürgereinkommens. Die Lega habe schon längst die Wiederöffnung gefordert, nicht erst im Schlepptau der SVP. Das System Südtirol funktioniere gut, man müsse Zusammenhalt und Föderalismus fördern, nicht die Sezession.
Gerhard Lanz (SVP) sah die Zukunft unsicher. Man müsse auf die Daten schauen und dabei auch die regionalen Unterschiede berücksichtigen. Die Situation in Südtirol, Schweden oder Südkorea sei auch deswegen so unterschiedlich, weil man eine unterschiedliche Bevölkerungsdichte habe. Nur auf regionaler Ebene kenne man die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Voraussetzungen für den Neustart. In den letzten Wochen habe es viel Austausch zwischen den Fraktionen gegeben, und nun habe man ein Paket mit sinnvollen Maßnahmen, über das man diskutiere. Das Maßnahmenpaket sei nicht perfekt, aber ein erster Schritt. Die Regeln müssten einfach und klar sein. Die SVP wolle nicht ein Gesetz mit ihrem Namen drauf, aber es sei die Mehrheit, die dann für die Umsetzung verantwortlich sein. Und deswegen müsse das Gesetz im Großen und Ganzen auch die Handschrift der Mehrheit tragen. Viele schauten nach Österreich oder Deutschland, aber dieses Gesetz sei viel umfangreicher. Lanz zeigte sich bereit, die Vorschläge der Opposition einzeln zu prüfen.
Präsident Josef Noggler erklärte die Generaldebatte hiermit für abgeschlossen und teilte mit, dass eine Reihe von Tagesordnungen und rund 70 Änderungsanträge vorgelegt wurden.
Anschließend stimmte das Plenum mit großer Mehrheit dafür, die Sitzung heute Abend bis zum Ende der Arbeiten fortzusetzen.
Von den 14 vorgelegten Tagesordnungen wurden 4 von der Landesregierung angenommen und die anderen zurückgezogen. Die vier angenommenen Tagesordnungen: Einrichtung eines Schalters für Unternehmen zur Information über die verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen (Team K), Wiedereinführung der Voucher (Team K), Arbeitstisch mit Kulturträgern zur Wiederzulassung von Veranstaltungen (Demokratische Partei), eine Studie zum Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden bzw. Polizeikräften während des Lockdowns (Grüne).
Anschließend wurde der Übergang zur Artikeldebatte beschlossen und die Sitzung für eine Stunde unterbrochen. Sie beginnt wieder um 18:40 h.
Art. 1 enthält die Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Tätigkeiten: Sicherheitsbestimmungen, Verbot der Gruppenbildung, Abstand von 2 Metern, angemessenes Verhältnis zwischen Raum und Personen, Wiedereröffnung am 11. Mai für Dienstleistungen, Gastronomie, Kultur, am 25. Mai für Beherbergungsbetriebe und Seilbahnen. Industrie, Handels- und Handwerksbetriebe öffnen mit Inkrafttreten des Gesetzes, ebenso die sozialen Dienste. Die Kinderbetreuung ist ab 18. Mai wieder möglich. Die Bürgermeister können restriktivere Maßnahmen beschließen. Der Artikel, der über 30 Absätze umfasst, verweist auch auf eine Anlage A, die allgemeine Regeln für alle Bürger und detaillierte Regeln für die Wirtschaft enthält.
Zunächst erläuterten die Abgeordneten ihre Anträge, in denen es unter anderem um die Vorverlegung oder Verschiebung der Öffnungstermine ging, um die Reisefreiheit auch über die Landesgrenzen, um die Eigenerklärung, um Ausgangsbeschränkungen durch die Bürgermeister, um eine verständliche Erklärung der Bestimmungen, um kulturelle und religiöse Veranstaltungen, um die Betreuungskapazitäten der Tagesmütter, um die Kinderbetreuung, vor allem im Sommer, um die Musikschulen, um Kinder mit Behinderung, um Mietwagenfahrten über die Grenzen, den Besuch in den Krankenhäusern. LH Arno Kompatscher legte einen Ersetzungsantrag zu Anlage A vor, in dem unter anderem die Pflicht zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes (unter 2 Metern Distanz) und das Raum-Personen-Verhältnis (10 Quadratmeter pro Person, aber auf die Gesamtfläche berechnet, nicht auf die einzelne Person) präzisiert werden. Es werden auch die Bestimmungen zu den Wellnessbereichen, zu Freischwimmbädern, zum Individualsport, zu den Schutzhütten und zum öffentlichen Nahverkehr präzisiert. Das Ganze könne durch Verordnungen nachgebessert werden.
Nach der Vorstellung der Anträge entspannte sich eine Diskussion über die Geschäftsordnung. Mehrere Abgeordnete bemerkten, dass es schwer sei, die Änderungsanträge zu prüfen, wenn auch wesentliche kurz vor der Behandlung vorlägen. Anschließend - und nach einer Pause - wurde über die Anträge diskutiert.
Riccardo Dello Sbarba meinte, dass die Landesregierung öffnen wolle, was möglich sei; daher seien weitere Vorschläge zur Lockerung nicht sinnvoll. Positiv sehe er hingegen jene Vorschläge, die auf mehr Sicherheit zielten. Kritisch sah er die Bestimmung, dass die Sicherheitsprotokolle nicht eingehalten werden müssen, wenn die Sicherheit garantiert sei - das schaffe Rechtsunsicherheit. Die Staat-Regionen-Konferenz habe heute eine Öffnung der Geschäfte am 11. Mai gefordert und Entscheidungsfreiheit für die Regionen ab 18. Mai - das wäre der bessere Weg, auch vor dem Hintergrund der Verhandlungen mit dem Staat um mehrere hundert Millionen.
LH Arno Kompatscher betonte, dass die Formulierung zu den Sicherheitsprotokollen au dem Dekret von Conte übernommen wurde.
Paul Köllensperger sah im Gesetz einen vorsichtigen Start. Vor allem Bars und Restaurants würden sich schwer tun mit den Bestimmungen. Die Bestimmung zu den Fabriken sei akzeptabel. Positiv sei die Verlängerung der Öffnungszeiten im Handel bis 22 Uhr, ebenso die Präzisierung zur 1/10-Regel. Die Covid-Safe-Areas seien nachvollziehbar, aber die serologischen Schnelltests seien nicht aussagekräftig, es bestehe weiter Ansteckungsgefahr. Köllensperger fragte, was passiere, wenn in einem Hotel ein Positiver festgestellt werde - werde dann das ganze Hotel geschlossen? Hier sei Klarheit zu schaffen. Köllensperger legte einen entsprechenden Antrag vor, der vorsieht, dass das Zimmer des Infizierten unter Quarantäne gestellt wird. In der Gastronomie sollte man 4 Leute pro Tisch zulassen. In Österreich könnten Personen, die zusammen kommen, auch zusammen sitzen.
Sven Knoll kritisierte, dass Personen, die nicht im selben Haushalt leben, sich mit Mundschutz begegnen müssen, auch Beziehungspartner. Das sei schwer zu prüfen, könne aber auch zu Denunziantentum führen. Wenn eine Bestimmung lächerlich sei, werde sie nicht eingehalten. Dies gelte auch für die Eigenerklärung, die abzuschaffen sei. Man sollte sich auch über die regionalen Grenzen hinaus bewegen können, das betreffe unter anderem die Studenten. Bei der Öffnung für die Hotels wecke man falsche Hoffnungen; die Gäste blieben nicht im Hotel und könnten sich irgendwo anstecken. Es gebe auch noch keine Überlegungen zu Gästen aus Ländern mit hohen Infektionsraten. Man könne mit diesem Gesetz niemandem eine Garantie geben.
Alessandro Urzì stellte eine Reihe von Unsicherheiten fest, die auch in dieser Debatte angesprochen würden. Das Land habe z. B. nicht die Befugnis, die Bewegungsfreiheit auf andere Regionen auszudehnen. Die Zulassung von Wahlveranstaltungen sollte nicht vom Landeshauptmann abhängen.
Franz Ploner plädierte für eine Reduzierung der Distanzen von 2 auf 1,5 Meter, wie es das Koch-Institut empfehle. Das würde auch dem Gastgewerbe mehr Spielraum geben. Der serologische Schnelltest, der für die Covid-Protected-Area vorgesehen sei, sage nichts über die Infektiösität der Person aus, dazu brauche es einen PCR-Test, der nicht älter als 4 Tage sei. Diese Bestimmung werde in Rom nicht durchgehen.
Andreas Leiter Reber sah eine Konfusion beim Abstand von 2 Metern.
Die Regel sei klar, erwiderte Gert Lanz. Für die Gastbetriebe sei der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Metern in der Summe minimal. Wichtig sei die Logik des Abstands. Man wolle nicht regellos öffnen, sonst würde in wenigen Wochen alles wieder zusammenbrechen. In Österreich würden die Bestimmungen für die Beherbergungsbetriebe erst am 29. Mai erlassen.
Italien sei wochenlang mit Notverordnungen regiert worden, die am Vorabend vor Inkrafttreten bekannt gegeben wurden, erklärte LH Arno Kompatscher. Und nun werfe man der Landesregierung zu große Eile vor. Südtirol könne keine bilateralen Abkommen mit anderen Staaten machen, aber es könne die Ausreise nach Österreich erlauben, wenn Österreich die Einreise zulasse. Südtirol versuche eine vorsichtige Öffnung, denn wenn die Zahlen schlechter würden, müsse man wieder zurückrudern. Mit dieser Regeln wolle man auch jene mitnehmen, die Angst haben. Aber man starte jetzt, mit vielen Tätigkeiten übrigens früher als Österreich und Deutschland.
LR Thomas Widmann wies Köllensperger darauf hin, dass es zu den Kontakten eines Infizierten ein genaues Protokoll gebe. Wenn das Hotel die Regeln einhalte, verringerten sie das Risiko. Aber wenn ein Gast mit Infektion nach Deutschland zurückkehre, sei das ein Schaden für die ganze Branche, nicht nur für das Hotel. Franz Ploner bezweifle die serologischen Schnelltest des Landes, halte jene in Gröden aber für seriös. Validierte Schnelltests hätten doch eine bestimmte Sicherheit. Im Vergleich zu Österreich sei die Südtiroler Regel eher auf der sicheren Seite, aber in zwei, drei Wochen wisse man mehr und könne nachbessern.
Die Änderungsanträge der Landesregierung wurden angenommen. Zusätzlich angenommen wurden unter anderem Anträge von Knoll, Lanz und Atz Tammerle (keine Eigenerklärung im Landesgebiet und im Trentino), Lanz (Ausnahmen für religiöse Veranstaltungen), Urzì (Gültigkeit des Gesetzes bis Ende des nationalen Notstands).
Absatz 26 zu den Patientenbesuchen wurde auf Antrag von Lanz gestrichen.
Der Artikel wurde mit 25 Ja und 1 Nein genehmigt.
Art. 2 sieht die Einrichtung einer Expertenkommission vor, die bei Zunahme der Infektionen dem Landeshauptmann geeignete Maßnahmen vorschlägt. Dazu wurde ein Ersetzungsantrag von LH Kompatscher mit gendergerechten Begriffen vorgelegt.
Alessandro Urzì sah die Gefahr, dass hier andere Kriterien aufgestellt würden, sodass ein Vergleich mit anderen Regionen unmöglich wird. Brigitte Foppa meinte, nicht nur der Text müsse gendergerecht sein, sondern vor allem die Besetzung der Kommission. Sandro Repetto sah ebenfalls diese Gefahr. Franz Ploner meinte, in der Kommission sollten auch Sozialwissenschaftler und Volkswirtschaftler vertreten sein. LH Kompatscher erklärte, dass der Artikel wohlüberlegt sei und dass es keine Konkurrenz mit anderen Kommissionen geben werde. Diese Kommission werde sich auch mit lokalen Problemen befassen, wie jene in anderen Regionen auch. Diese Kommission sei für medizinische Fragen zuständig, die Landesregierung werde auch noch andere Berater haben. Die Frauen würden in dem Gremium stark vertreten sein.
Der Ersetzungsantrag wurde angenommen.
Art. 3 enthält die finanzielle Deckung des Gesetzes und wurde ohne Debatte angenommen.
Art. 4 legt das Inkrafttreten des Gesetzes am Tag seiner Veröffentlichung fest.
Auf Nachfrage von Sven Knoll erklärte LH Kompatscher, dass das Gesetz in die jetzt genehmigte Form gebracht werden müsse. Ein Inkrafttreten werde eher am späten Nachmittag möglich sein. Die Kaufleute sollten sich auf die Öffnung am Samstag vorbereiten.
Der Artikel wurde mit 27 Ja, 1 Nein und 7 Enthaltungen genehmigt.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore - Fratelli d’Italia) betonte den Wert der demokratischen Debatte und wies auf die vielen offenen Fragen hin, die dabei aufgetaucht seien. Es sei richtig, den Betrieben die Öffnung zu ermöglichen, aber der eingeschlagene Weg sei falsch, da man ja in Finanzverhandlungen mit Rom stehe. Er kündigte sein Nein an, hoffe aber, dass die Mehrheit recht habe.
Es habe heute doch eine Zusammenarbeit stattgefunden, erkannte Paul Köllensperger (Team K) an. Einige Vorschläge, etwa zu den Vouchern, seien angenommen worden. Nicht gelöst seien die Fragen zu direkten Beiträgen, zur Unterstützung der Banken und andere. Man hätte sich über eine Lösung nach österreichischem Vorbild gefreut, aber daraus sei heute noch nichts geworden. Die Landesregierung habe keine leichte Aufgabe, das Gesetz werde viele auch enttäuschen. Aber das Ergebnis sei insgesamt gut und könne noch verbessert werden.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte für ihre Fraktion eine Enthaltung und eine Ja-Stimme an. Viele würden von diesem Gesetz enttäuscht sein. Man hätte mutiger sein können, und viele Bestimmungen seien kompliziert und unverständlich.
Brigitte Foppa (Grüne) wies ebenfalls auf die großen Erwartungen hin, aber für gute Entscheidungen brauche es Zeit. Sie bat darum, die Nachhaltigkeit im Auge zu behalten, denn der große Druck zur Wiederaufnahme werde auch Umweltschäden bringen. Für die Gesellschaft beginne ein neues Leben. Sie wünsche von Herzen, dass es gut gehe.
Es sei richtig und notwendig, dass Südtirol einen eigenen Weg beschreite, meinte Sven Knoll (STF). Man habe miterlebt, wie andere über unser Land bestimmt hätten, aber auch über unser privates Leben. Er hoffe, dass die Phase 2 gut ablaufe, und dankte jenen, die an vorderster Front für das Leben anderer Menschen gekämpft hätten.
Josef Unterholzner (Team K) unterstützte das Gesetz. Man habe sich eingesetzt, es besser zu machen. Dennoch sollte die Opposition früher eingebunden werden, damit vor allem die Praktiker ihre Erfahrungen einbringen könnten. Gewisse Bestimmungen seien nicht gelungen, etwa die Schließung des ganzen Hotels bei einem einzigen Fall oder die Abstände, dennoch sei das Gesetz insgesamt nicht schlecht.
Sandro Repetto (Demokratische Partei - Bürgerlisten) kündigte Stimmenthaltung an. Besser wäre es gewesen, sich den anderen Regionen anzuschließen, die erst ab 18. Mai mit eigenen Regeln starten wollten. Die Vorschläge des PD seien heute abgelehnt worden. Es sei zu hoffen, dass das Gesundheitssystem bei einer zweiten Welle angemessen reagieren könne. Das Gesetz sei sicher ein Hoffnungszeichen, aber für die nächste Phase werde man viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen.
Man werde erst in einigen Monaten wissen, ob der Lockdown notwendig war, meinte Andreas Leiter Reber (Die Freiheitlichen). Dieses Gesetz mache die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden nicht wett, man stehe jetzt vor einer langen Krise. Dieses Gesetz sei ein kleiner Schritt, aus dieser Krise herauszukommen. Jene, die sich mehr erhofft hätten, aber auch alle anderen sollten die Eigenverantwortung ernst nehmen, damit es nicht wieder schlimmer werde.
Giuliano Vettorato (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) sah dieses Gesetz als eine Antwort auf die drängenden Fragen der Bürger. Alle hier hätten dazu beigetragen.
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) sah keinen Anlass zur Euphorie. Nicht, weil das Gesetz nicht gut wäre, sondern wegen der tragischen Situation. Man habe einen ersten Schritt getan und könne sich noch nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Man habe damit die Würde der Arbeit hochgehalten. Er werde für dieses Gesetz stimmen.
Gerhard Lanz (SVP) fragte, wie viel richtig sei: an Diskussion, an Courage, an Abstand. Für viele sei manches zu viel, für andere zu wenig. Es sei wichtig, wenn man nach außen ein Bild der Geschlossenheit abgebe. Daher müsse diese Frage, wie viel richtig sei, in den nächsten Monaten immer wieder gemeinsam angegangen werden. Lanz bedankte sich bei allen für die Mitarbeit, bei den Fachleuten, vor allem aber bei der Landesregierung und dem Landeshauptmann. Hier habe es viel dicke Haut gebraucht bei dem, was alles gesagt wurde.
LH Arno Kompatscher dankte ebenso, auch den Mitarbeitern im Landtag und in der Landesverwaltung, den Kollegen in der Landesregierung und allen Landtagsfraktionen. Die letzten Wochen seien für alle im Lande sehr schwer gewesen, und auch die nächsten Monate würden wieder schwer sein. Man müsse schauen, dass wieder Zuversicht im Lande einkehre. Viele Erwartungen an das Gesetz würden enttäuscht, manchen gehe es zu weit. Aber es sei wichtig, zu vermitteln, dass es richtig war, in dieser Sache möglichst gemeinsam vorzugehen.
Der Gesetzentwurf wurde mit 28 Ja, 1 Nein und 6 Enthaltungen genehmigt.
Präsident Josef Noggler schloss die Sitzung um 0:43 Uhr.