Es betrifft einen Ort in Südtirol, in welchem die Rebellion der Menschen in ihren Organen stattfindet oder im Alkohol oder in ihrer Entscheidung, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Und jetzt, in diesen Zeiten, wird das Corona-Virus, so gut es irgend geht, weggewitzelt. Im Lebensmittelgeschäft im Zentrum, das die Einheimischen noch beispielhaft mit Nahrung versorgt, drängen sich manche absichtlich näher an den anderen, dies, um zwar schwachbrüstig, aber doch zu sagen: "Seht her, ich Furchtloser." Und der ganz Souveräne nimmt es persönlich: "Vor mir brauchst nicht weggehen, vor mir brauchst keine Angst zu haben." "Ha,ha,ha", so schallt des Südtirolers markante Stimme noch nach.
Eine wahre Lichtspur am Himmel über dem Dorf ist die Apotheke, die sogar eine Schutzwand vor den Mitarbeitern aufbauen ließ. Ein kurze Aufhellung der Wolkendecke auch die Tabaktrafik: dort darf nur mehr einzeln eingetreten werden.
Nun zum konkreten Fall, der uns zugetragen wurde, und mit welchem wir aufzeigen wollen, dass die Wirklichkeit vor Ort oftmals eine ganz andere ist als der Sternenschein über Südtirols Himmel. Eine alleinerziehende Mutter lebt gemeinsam mit ihrer 12-jährigen Tochter unter einem Dach in diesem romantischen Dorf. Da sie von zu Hause aus arbeitet, verlässt sie das Haus recht wenig. Mit einer chronischen Erkrankung im Schlepptau nimmt sie es mit allen Hygienemaßnahmen ziemlich genau. Sie muss täglich Medikamente nehmen, die sie nur mit Rezept bekommt. Ihr Hausarzt weigerte sich zunächst, ihr diese zukommen zu lassen, sie müsse sie selbst in seinem Ambulatorium im angrenzenden Dorf abholen – und das trotz Reiseverbot und Ansteckungsgefahr.
Seit drei Tagen hat die Frau Fieber, bis zu 38,5 Grad. Ihr Hausarzt riet ihr, in absoluter Quarantäne zu bleiben, so auch ihre Tochter, und sich bei Verschlimmerung oder anderen Symptomen noch einmal zu melden. Im Dorf hat die Frau nur eine Person, der sie vertraut, diese würde sie mit dem Einkauf von Lebensmitteln beauftragen. Nun befindet sich ihr Bankkonto im Minus, da ihr Gehalt noch nicht eingegangen ist. Sie informiert die Bank genauestens über ihre Situation und bittet um weitere 100 Euro für den Lebensmittelkauf. Diese werden ihr zunächst einmal….verweigert, und zwar vom Vize-Direktor! Soviel zu Solidarität und Stundung und unbürokratischer schneller Hilfe. Erst als die Dame sich wehrt und andere Töne anschlägt, wird ihr zugesichert, dass ihre Bekannte das Geld holen kann. In einem Gespräch mit dem Direktor dann entschuldigt sich dieser für seinen Vize… "er wird nicht nachgedacht haben…". Ein Verhalten, das sich so ziemlich deckt mit dem einer anderen Bank, die einen ihrer Kunden vor etwa einer Woche und mitten im Corona-Chaos kontaktierte, um ihn darauf hinzuweisen, dass sein mit 1.800 Euro überzogenes Bankkonto aufzufüllen wäre. Berechtigt ist nicht nur die Frage, wo da jetzt die groß angepriesene Hilfe bliebe, sondern auch jene, ob das jetzt die vorrangigen Probleme der Bank wären, die Glückliche, die Lächerliche.
Inzwischen hat die kleine Familie wieder Essen im Kühlschrank, zumindest für die kommenden Tage. Auf welchem Weg der Hausarzt der Frau die Rezepte zukommen lassen würde, steht immer noch im coronageschwängerten Raum. "Wenn mir nichts anderes übrig bleibt, binde ich mir einen Text mit meiner Geschichte um den Hals und fahre damit und mit Bus ins andere Dorf ins Ambulatorium. Die Verantwortung gebe ich an den Hausarzt ab." Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommen wird. Wollen wir ebenso hoffen, dass Hilfe und Solidarität auch im hintersten Kämmerlein gelten, und zwar nicht nur unter Freunden, sondern auch von ganz offizieller Seite.