Jörg Zemmler liest im Ost West Club

Im Allgemeinen fehlt es der Zeit an Humor

"Im Allgemeinen fehlt es dieser Zeit an Humor...", äußerte der Autor Jörg Zemmler, der gestern, Mittwoch, 5.Februar, im Meraner Ost West Club aus seinem neuesten Werk „Seiltänzer und Zaungäste", erschienen im Klever Verlag Wien, vorlas.

Ein ernst dreinblickender, an einen Hippie erinnernder Mann betrat das kleine Podium, legte ein paar Bücher und allerlei technisches Gerät auf den Tisch und begann mit tiefer, sonorer Stimme. Kurz sprach er über seine Auffassung von Literatur (sie solle "leise" sein, aber präzise), er erinnerte an den 2017 verstorbenen Schriftsteller Peter Oberdörfer (dem zu Ehren 2019 ein Preis für vielseitiges literarisches Schaffen gewidmet ist und dessen erster Preisträger er ist) und eröffnete den Abend mit einem Gedicht aus seinem Lyrikband "papierflieger luft" aus dem Jahr 2015.

Zemmler, 1975 in Bozen geboren, lebt in Wien und Südtirol, hat Politikwissenschaft studiert, ist auch Tontechniker und Musiker. 2018 veröffentlichte er ein Album "Airplay", heuerte als freier Mitarbeiter beim RAI Sender Bozen an. In der Kunstszene des Landes ist er seit 2004, als er mit "Leihworte (und -töne)" debütierte, kein Unbekannter. Sein Buch, das er vorstellte, ist eine Sammlung von 114 Miniaturen von Menschen, alle mit dem Vornamen benannt, schildert es "außergewöhnliche Begegnungen mit gewöhnlichen Menschen", gleichsam wie "Schnappschüsse". Diese werden in Situationen gezeigt, die zwischen Glück und Missgeschick, zwischen Entscheidung und Hilflosigkeit, allem oder nichts stehen. Teils skuril, teils lapidar werden sie oder ihre Verhaltensweisen charakterisiert, in einer schnörkellosen, genauen, fast emotionslosen Sprache. Es ist ein städtisches Umfeld (oder kleinstädtisch?), in dem sie sich bewegen, oft sind die Menschen von Vergeblichkeit, verlorenen Erinnerungen und gescheiterten Träumen geprägt.

Unprätentiös ist diese „gesprengte“ Lesung, durchsetzt mit Tonaufnahmen von Interview-Fetzen, politischen Statements (kurz flackert eine FPÖ-Rechtfertigung bei Armin Wolf auf), Nachrichtenmeldungen, Werbeeinschaltungen und auch Musik.

„Manchmal macht es Klick-Klack, manchmal macht es nicht Klick-Klack“. Zwischendurch streut Zemmler eines seiner Gedichte ein. Immer geht es um Menschen, immer geht es um Haltungen („Mut ist ein Name, ein ägyptischer“ … und tatsächlich: Mut ist eine ägyptische Göttin). 65 solcher Kurztexte trägt er vor, dann beendet er den Abend, verliest noch die weiteren Vornamen, reiht sie aneinander, zerteilt durch eine Toncollage aus mehreren Geräuschquellen. Am Schluss noch ein Gedicht. „… den Kleinmütigen und den Mutigen“ schickt er als Widmung hinterher.

Im Anschluss an diese 75 Minuten dauernde Veranstaltung im mit ca. 30 Personen vollen kleinen Klubraum des Steinach-Viertels - ehemals eine Künstlerheimat, jetzt eine leergefegte Gegend - konstatierte die Veranstalterin Sonja Steger, ihres Zeichens spiritus rector der Veranstaltungsreihe: „ein berührend-verwirrender Abend“. Wie wahr.

 

 

Amante Arte