Vor wenigen Wochen haben wir es angekündigt, nun ist das Buch „La Mangiatrice di Sole“ („Die Sonnenfresserin“) der tschechischen Autorin, die in Italien lebt, Lucie Hušková erschienen. Zunächst „Ladys first“, VOX NEWS Südtirol wird der Autorin einige Fragen zu ihrem frisch erschienenen Buch stellen, welches sich mit einem dunklen Kapitel, dem "Geschäft mit den Kindern" in Italien, befasst. Ein Geschäft, in dem die italienische Justiz und das Pflegesystem eine ganz besondere Rolle spielen. Im Mittelpunkt des neuen "Noir"-Gerichtsromans von Lucie Hušková steht das Parental Alienation Syndrome (PAS). Das Syndrom der Eltern-Kind-Entfremdung, obwohl es als Krankheitsbild nie anerkannt wurde, hat viel Unheil in italienische Familien gebracht. Anschließend sprechen wir in unserem Artikel auch mit Verleger Domenico Capponi, der den Mut hatte, das Buch zu veröffentlichen, sowie mit Dr. Andrea Mazzeo, einem Psychiater, der immer gegen PAS gekämpft hat. Es setzt sich unaufhörlich für Kinder und Frauen ein, die zu Unrecht eines nicht existierenden Syndroms beschuldigt wurden.
Also, Frau Hušková, wir haben Ihren Noir-Roman, der vielleicht sogar wie ein Kriminalroman wirkt, gründlich gelesen. Wir finden die Tatsache sehr fesselnd und einfallsreich, dass unter dem Vorwand einer sonnenfressenden Sekte eine weitere gefährliche Absurdität, wie das elterliche Entfremdungssyndrom (PAS) kaschiert und benutzt wird, um Gewalt in der Familie zu vertuschen. Aber es gibt auch andere Dinge, für die man Sie sicherlich bewundern, aber auch angreifen wird.
Lucie Hušková: Nun, ich bin auf Angriffe gegen mich gut vorbereitet, zumindest psychologisch. Ich habe bereits meinen eigenen Kreis treuer Haters und den vollen Respekt, meist von Frauen meiner eigenen Nationalität, die es nicht versäumen, meinen Roman Ike zu kommentieren, oft in unangemessener Weise. Aber ich glaube nicht, dass das zum heutigen Thema gehört (lacht), es ist ein anderes Buch und auch dort erwähne ich das Geschäft in Italien mit den Kindern. Der Roman Ike hat es in Tschechien immerhin in die Liste der interessantesten Romane des Jahres 2017 geschafft.
VOX NEWS Südtirol: Sie haben recht, aber es hat etwas mit dem Schreiben, dem Erfolg und der Herausgeben von Büchern zu tun. Hater sind immer noch Kunden, die kaufen, obwohl es erstaunlich ist, dass jene die schlecht über Sie schreiben Frauen sein können, die eigentlich Mitgefühl für das Leiden von Kindern und anderen Frauen haben sollten. Kommen wir aber zu was anderem. Im Buch spielen Sie darauf an, dass eine so schwerwiegende Krankheit wie die Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson) möglicherweise nicht genetisch bedingt ist und dass der Protagonist in ihrem Buch, der daran leidet, sogar ein sehr aktives Leben führen und eine erfolgreiche Karriere machen kann.
Lucie Hušková: Ich sollte klarstellen, dass ich selbst an der Wilson-Krankheit leide und daher über das Thema Bescheid weiß. Das ist etwas, was nur wenige Menschen wissen, und ich habe in zwei meiner Bücher damit begonnen, mich zu outen. Damit meine ich allerdings nicht, dass der Roman autobiografisch ist. Ich schreibe einfach über die Themen, mit denen ich mich gut auskenne, und in meinem Fall muss ich mich mit den Protagonisten identifizieren, um seine Phantasie spielen zu lassen, daher mag es auf den ersten Blick persönlich erscheinen. In jedem Fall handelt es sich höchstens um Halbautobiografien, wie bei James Herriot, oder um Dinge, die im Leben nicht verwirklicht wurden, um es mit Milan Kundera zu sagen. Natürlich dies ohne mich mit diesen beiden berühmten Schriftstellern vergleichen zu wollen.
VNS: Das ist in der Tat interessant, aber Sie haben mir nicht geantwortet. Wie lebt man mit einer Krankheit wie der Wilson-Krankheit, wenn ich fragen darf, und warum spielen Sie darauf an, dass sie möglicherweise nicht genetisch bedingt ist?
Lucie Hušková: Es ist eine Krankheit, die zu Müdigkeit und anderen Problemen führt, sodass man sich nicht in bester Form fühlt. Mir persönlich hilft es sehr, in der Natur spazieren zu gehen, und ich liebe das Meer, wo ich meine Energien aufladen kann. Auf jeden Fall bin ich Gott dankbar für jeden Tag, der nicht schlimmer ist, als er sein könnte. In den mehr als 20 Jahren, in denen ich in Behandlung bin, habe ich in Krankenhäusern schreckliche Dinge gesehen und sehr unterschiedliche Meinungen gehört. Aber das würde dieses Interview zu überstrapazieren, und es gefällt mir auch nicht Mitleid ausnutzen um Gefühle hervorzurufen. Wir können an tausend anderen Ursachen sterben als an jenen, die uns bedrücken. Was den genetischen Ursprung der Krankheit betrifft, so behaupte ich keineswegs, dass dies nicht der Auslöser für die Krankheit ist. Ich glaube jedoch, dass in einigen Fällen die Anhäufung von Kupfer (oder anderen Schwermetallen), die die Stoffwechselfunktion im Körper stört, eine Vergiftung sein kann und dass Gentests nicht so sicher zu sein scheinen. Die beiden Dinge werden oft klar voneinander getrennt, aber einige Fachärzte haben diese meine vielleicht nicht ganz so gewagte Hypothese zugelassen. Die These von der Schwermetallvergiftung würde auch die Häufigkeit der Krankheit bestätigen: von 1 zu 30.000 sind wir in den letzten Jahren auf 1 zu 7.000 gestiegen und wenn wir so weitermachen, alles andere als eine seltene Krankheit. Aber ich bin kein Arzt.
VNS: Unglaublich, das Buch sollte allein schon wegen dieses Zweifels gelesen werden, aber auch wegen des berühmt-berüchtigten PAS, einem Thema, das unbedingt vertieft und verbreitet werden muss, aber bevor wir Dr. Mazzeo das Wort erteilen, werden wir dem Inhaber des Verlags, der ihr Buch veröffentlicht hat, Domenico Capponi, einige Fragen stellen. Es scheint, dass Sie alle Ihre Ziele erreicht haben. Wie fühlt es sich an, Herr Capponi, eine glänzende Karriere als Anwalt aufzugeben, um Direktor und Herausgeber eines guten Verlags zu werden, und was hat Sie dazu bewogen?
Domenico Capponi: Vielen Dank für diese Gelegenheit, ich bin immer gerne bereit, meine Geschichte zu erzählen, die im Wesentlichen die Geschichte einer Entscheidung, des Wunsches und des Mutes ist, seinem Traum zu folgen. Im Grunde genommen habe ich genau das getan: Ich habe einen sichere Arbeit für einen unsicher erscheinenden Job aufgegeben, den ich bisher überhaupt nicht kannte. Die Frage ist: Warum habe ich das getan? Ich bin einer Intuition gefolgt, einer plötzlichen Eingebung der Seele, welche einen Sekundenbruchteil dauerte und von der ich glaube, dass jeder von uns in der Lage wäre, sein wirklich wahres Dasein zu erkennen. Ich bin ihr gefolgt, während andere beschließen sich von ihr abzuwenden. Ich bin also dieser Intuition gefolgt, weil ich Herausforderungen mag.
VNS: Das ist eine poetische und mutige Antwort, Herr Capponi, und die Dinge beginnen klarer zu werden. Aus der sehr schön gestalteten Website Ihres Verlags geht hervor, dass Sie eine Vielzahl von Genres veröffentlichen. Sie sehen nicht einmal wie ein kleiner bis mittelgroßer Verlag aus, aber mit der Menge an Büchern und Genres, die Sie veröffentlichen, könnten Sie sogar mit großen Verlagshäusern konkurrieren. Erklären Sie uns, wie Sie es geschafft haben, sich im italienischen Verlagsdschungel nicht nur über Wasser zu halten, sondern sogar zu wachsen?
Domenico Capponi: Der Verlag bewertet jedes Jahr etwa 600 neue Vorschläge, und ich glaube, dass diese Zahlen noch steigen werden, denn die Menschen haben das Bedürfnis, ihre Geschichten zu erzählen, sie haben das Bedürfnis, mit etwas im Einklang zu sein, das sie jeden Tag zu verlieren drohen. Wir veröffentlichen Bücher, die in irgendeiner Weise dazu beitragen, derjenigen, die sie lesen, dadurch zu wachsen. Egal ob es Romane oder Essays oder aber auch Krimis sind, in unseren Büchern finden Sie immer mehr literarische Ebenen. Das ist so, weil wir wollen, dass es so sein soll. Und die Auswahl der Bücher erfolgt auf der Grundlage des Elements der Neuheit.
VNS: Ausgezeichnet. Ich glaube, Sie haben die Frage, die ich Ihnen stellen wollte, bereits beantwortet, nämlich nach welchen Kriterien Sie Autoren und ihre Bücher auswählen. Könnten Sie erläutern, was Sie dazu veranlasst hat, gerade Lucies Roman auszuwählen?
Domenico Capponi: Dieser Roman gibt eine Antwort auf die Suche nach einem latenten Wissensstand, der noch weitgehend unbekannt ist. Die Autorin hat eine großartige Arbeit geleistet, denn sie hat auf dieses Bedürfnis geantwortet, indem sie alles in eine Erzählung gepackt hat, die somit für jeden zugänglich ist.
VNS: Alles klar, Sie sind also an Büchern interessiert, die eine wichtige Botschaft vermitteln und für diejenigen von Wert sind, die nach Antworten suchen, aber auch für ein sehr breites Publikum zugänglich sind. Das sind echte Romane, und angehende Autoren, die sich für Ihren Verlag interessieren, sollten sich dessen bewusst sein, denn 600 Einsendungen pro Jahr sind eine Menge.
Kommen wir abschließend nun zum Psychiater Dr. Andrea Mazzeo.
Herr Dr. Mazzeo, Sie haben einen umfangreichen Lebenslauf und eine sehr lange Karriere hinter sich. Warum widmen Sie gerade dem Kampf gegen dem PAS so viel Energie? Natürlich erklären Sie uns auch, was PAS ist und was Sie dazu veranlasst hat, die Opfer dieses erfundenen Krankheitsbildes zu verteidigen?
Dr. Andrea Mazzeo: Meine Antwort ist vielleicht ein bisschen lang, aber sie ist sehr wichtig und die Menschen müssen sie wissen. Was mich betrifft, so kann ich heute mit Sicherheit sagen, dass das PAS oder elterliche Entfremdungssyndrom nur eine Strategie vor Gericht ist, um Elternteile vor Gericht zu verteidigen und zu schützen, wenn diese von ihren Kindern der Gewalt in der Familie oder sogar des sexuellen Missbrauchs an den Kindern bezichtigt werden. Der Anwalt, der ein von den Kindern beschuldigtes Elternteil verteidigt, wird nämlich versuchen, die Aussagen der Kinder zu diskreditieren; er wird die Verteidigungsthese unterstützen, dass die Kinder vom anderen Elternteil konditioniert und zu diesen Anschuldigungen veranlasst wurden.
Um diese These zu untermauern, muss er natürlich Beweise für diese psychologische Manipulation der Kinder vorlegen. Da man nicht in der Lage ist, Beweise für die angebliche Manipulation zu erbringen, ist dies der Winkelzug, um das Konzept des Vorliegens einer Krankheit aufkommen zu lassen: Die psychologische Manipulation wäre eine neue Krankheit, das Eltern-Kind-Entfremdungssyndrom (Parental Alienation Syndrome [PAS]) genannt wird; dann wird seit 2012, als der italienische Gesundheitsminister erklärte, dass das PAS keine wissenschaftliche Grundlage hat und daher keine Krankheit ist, der Begriff der elterlichen Entfremdung herangezogen. Es ist dies praktisch nichts anderes als das PAS anders zu benennen. Im Jahr 2012 habe ich eine Website erstellt, auf der diese Dinge besser erklärt werden, mit vielen internationalen bibliografischen Referenzen (www.alienazionegenitoriale.org).
Warum habe ich angefangen, in diesem Bereich zu arbeiten? Bis 2009 (man bedenke, dass ich meinen Studienabschluss seit 1976 habe und seit 1977 in der Psychiatrie arbeite, in der psychiatrischen Universitätsklinik, im psychiatrischen Krankenhaus, in psychiatrischen Zentren, in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses und jetzt in psychiatrischen Gemeinschaften) wusste ich überhaupt nichts über diese angebliche Krankheit, die 1985 von einem New Yorker Arzt erfunden wurde. Im Jahr 2009 beauftragte mich ein befreundeter Anwalt, als PSV (Parteisachverständiger) eine Freundin zu begleiten, die eine Trennung durchmachte, bei der sich ihr 8-9 Jahre altes Töchterchen weigerte, ihren Vater zu sehen, den sie des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Hier, im gerichtlich erstellten Amtsgutachten, las ich zum ersten Mal die Worte "elterliches Entfremdungssyndrom". Da ich nicht die geringste Ahnung hatte, was es war, dachte ich an eine eigene Unkenntnis meinerseits; ich fand nichts in den psychiatrischen Abhandlungen, die ich hatte, es waren dies einige sehr aktuelle italienische Übersetzungen amerikanischer Forschungsberichte, begann ich im Internet zu recherchieren, und hier eröffnete sich mir eine Welt an Informationen. Diejenigen, die das Syndrom äußerst fanatisch unterstützt haben, und diejenigen, die es kritisiert haben. In einem Blog (Velle est posse) fand ich bibliografische Hinweise und begann mich zu informieren. Nachdem ich verstanden hatte, worum es geht, begann ich auf meinem Facebook-Profil darüber zu sprechen und kam so mit vielen Menschen in Kontakt, die bereits gegen das PAS kämpfen. Insbesondere wies mich eine Mutter aus Genua auf das Buch von zwei spanischen Psychologinnen, Sonia Vaccaro und Consuelo Barea, hin; obwohl ich kein Spanisch konnte, kaufte ich es, und mit Hilfe von Online-Übersetzern habe ich Teile des Buches übersetzt und veröffentlicht. Dann gab es die italienische Übersetzung dieses Buches und seine Präsentation in Rom während einer speziellen Konferenz, an der auch die spanische Psychologin Sonia Vaccaro teilnahm. Von dort aus folgten weitere Konferenzen, Schriften, Artikel, Buchkapitel usw.. Habe ich hier eine Menge Energie aufgewendet? In der Tat, es kostet mich nicht viel Energie. Wie ich kürzlich in einem Facebook-Beitrag schrieb, habe ich immer noch die Angst, den Schrecken dieser Kinder, die ihren Müttern entrissen wurden, vor Augen, in meinen Ohren ihre Schmerzensschreie und den Schmerz ihrer Mütter. Nun, unabhängig davon, dass ich Psychiater bin, kann man einem solchen Leiden nicht gleichgültig gegenüberstehen. Die aufgewendete Energie, die Kilometer, die ich in ganz Italien zurückgelegt habe, um an den zahlreichen Konferenzen teilzunehmen, die Zeit, die ich in die Dokumentation der zahlreichen Fälle investiert habe - ich habe mehr als hundert auf meinem Computer archiviert, von denen ich alles gelesen habe, Berichte, Amtsgutachten, Urteile usw. - haben mich immer mehr von der Notwendigkeit überzeugt, diesen Kampf nicht aufzugeben.
VNS: Sie sind eine Art Held, Herr Dr. Mazzeo, und wir schätzen sehr, was Sie gesagt haben. Wenn mehr Fachleute so denken würden, wäre unserer Ansicht nach die Welt ein besserer Ort. Auf jeden Fall danke ich Ihnen allen und kann nur hoffen, dass dieser Roman in dieser Gesellschaft, in der wir versuchen, alles amtlich abzustempeln, so viel wie möglich Beachtung und Verbreitung findet. Vereine, die Frauen und Kinder wirklich schützen, sind eingeladen, sich mit Dr. Andrea Mazzeo und der Buchautorin Lucie Hušková für Buchvorstellungen über Facebook oder Instagram in Verbindung zu setzen. Das Buch ist auch auf der Website von Domenico Capponi und im Buchhandel erhältlich, vielleicht sollten Sie es auch erst einmal bestellen. Allenfalls sind dies wichtige Themen, die über die Freude am Lesen dieses wunderschönen Romans hinaus bekannt sein sollten.
Angaben zum Buch:
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