Muss Patient erst sterben bevor Deutsch wichtig wird?

Um einen Schlussstrich unter die Diskussion rund um das Plakat der Süd-Tiroler Freiheit ("Der Arzt konnte kein Deutsch...") zu ziehen, hätte der Generaldirektor des Südtiroler Gesundheitswesens, Florian Zerzer, unlängst Wert auf die Feststellung gelegt, dass es in den Südtiroler Krankenhäusern kein Problem mit der Sprache gebe, wie die Süd-Tiroler Freiheit in einer Presseaussendung mitteilt. Doch ist damit die Sache vom Tisch? In der Tat müssten andere Probleme dringender angegangen werden – davon sei auch Dr. Andreas Tutzer, Arzt am Krankenhaus Bozen, überzeugt. Aber dringendere Probleme seien für Tutzer keine Legitimation, um das Problem mit der mangelnden Zweisprachigkeit an Südtirols Krankenhäuser zu verneinen. Die Reaktionen seitens diverser politischer Gruppierungen und Berufsverbände auf das Plakat der Süd-Tiroler Freiheit hält Dr. Tutzer für überzogen: "Die italienische Ärztegewerkschaft ANAO witterte nämlich einen Affront gegen die gesamte italienische Ärzteschaft, und ihr Vorstand sah sich legitimiert, ein persönliches politisches Urteil zu fällen. Die Krankenpfleger-Kammer OPI verteidigte indes vehement die fachliche Kompetenz der Krankenpfleger. Sie offenbarte damit, das Ziel der Plakataktion nicht verstanden zu haben und gibt ungewollt zu, dass in der Tat mangelnde Deutschkenntnisse herrschen. Die Ärztekammer Bozen will rechtliche Schritte prüfen und übersieht, dass die österreichische Ärztekammer dasselbe Plakatmotiv in einer Sensibilisierungskampagne für den Arztberuf verwendet hat." Der SVP-Politiker Gert Lanz bagatellisierte das Thema und meinte, es sei ja noch kein Patient wegen eines Sprachproblems gestorben", schreibt die Süd-Tiroler Freiheit in ihrer Presseaussendung. „Muss tatsächlich erst ein Patient sterben, damit sich die SVP des Problems endlich bewusst wird?“, fragt Dr. Tutzer. Er hält es für den mit Sicherheit falschen Weg, wenn versucht wird, das Problem der mangelnden Zweisprachigkeit der Ärzte zu relativieren oder ins Lächerliche zu ziehen. Aussagen wie „besser ein italienischer Arzt als kein Arzt“, „Hauptsache, der Dienst funktioniert, die Sprache ist egal“ oder „es ist ja nichts passiert, was regen wir uns wegen der Sprache auf?“, findet Dr. Tutzer für zu kurz gegriffen, denn sie würden den Sinn der Südtiroler Autonomie ignorieren. Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, hält Dr. Tutzer, gerade wenn es um ethnische Themen geht, für durchwegs kritikwürdig und keineswegs für ehrenhaft. Er erinnert in diesem Zusammenhang an das Beispiel Elsass, das für Südtirol eine Warnung sein möge, zumal sich dort die Assimilation an das französische Staatsvolk bereits in der Abschlussphase befinde. „Stirbt die Sprache, stirbt die Kultur. Es braucht die Sensibilität der Leute zu diesem Thema. Warum sollte sich sonst etwas ändern, wenn sich die Bevölkerung nicht für die eigene Sprache stark macht?“, sagt Dr. Tutzer abschließend.