Bildausschnitt oben: BM Alexander Überbacher, darunter Vize-BM Helmuth Plaickner (Quelle: Gemeinde Natz-Schabs), Hauptbild: Das private Bauprojekt des Bürgermeisters von Natz-Schabs (Quelle: castellanum.it)
Dass er sich damit übernommen haben könnte, wurde dem BM wohl erst später bewusst. Seinen beflissenen Sinnen abhandengekommen ist dabei vielleicht die Gesetzeslage in diesem Zusammenhang und vor allem Art. 64 des Regionalgesetzes – und sinngemäß auch Art. 78 Absatz 3 des Staatsgesetzes – das da heißt: "Die für die Sachbereiche Raumordnung, Bauwesen und öffentlichen Arbeiten zuständigen Mitglieder des Gemeindeausschusses dürfen in dem von ihnen verwalteten Gebiet keine berufliche Tätigkeit im Bereich des privaten und öffentlichen Bauwesens ausüben."
Diese offensichtliche Unvereinbarkeit ist anderen ebenso klugen Köpfen – die es eben genauso gibt – nicht unbemerkt geblieben. Also hat Andreas Pöder von der BürgerUnion am 31. August 2018 eine Anfrage an den Landtag gestellt, um das das dunkle Kämmerlein, in welchem offensichtlich gewerkelt wurde, etwas zu erhellen. Ob es stimmen würde, dass der Vize-BM drei – unvereinbare – Funktionen gleichzeitig übernommen hätte, wollte er wissen.
Die Antwort des Vize-Bürgermeisters Helmuth Plaickner hinter geheimnisvollen Nebelschwaden über dem Natz-Schabser Hochplateau: "Es trifft zu, dass der Bürgermeister Bauherr und Projektant ist. bzw. war. Die Bauleitung wurde im Laufe der Arbeiten an Dritte vergeben." Die offizielle Antwort auf Pöders Landtagsanfrage wurde dann von Landesrat Arnold Schuler auch eins zu eins von der Gemeinde übernommen und so beantwortet.
Illegale Handlung?
Das Kaninchen aber gräbt sich durch, bis es irgendwann wieder ans Tageslicht kommt. Die Bürgerliste Natz-Schabs sammelt Fakten und Gesetzestexte und besteht um Mitteilung des Datums, an welchem Kurs gewechselt und die Bauleitung an Dritte vergeben wurde. So blieb der Gemeinde nichts anderes übrig, als das Röckchen fallen zu lassen. In der Natz-Schabser Bürgermeister-Bauprojekt-Causa wurde die Bauleitung vom Bürgermeister tatsächlich abgegeben, und zwar eine Woche (!) nach der Anfrage der BürgerUnion an den Landtagspräsidenten. Was für ein Zufall!
Eine gleichzeitige Besetzung aller drei Funktionen ist laut Gesetzeslage auf jeden Fall illegal. Nun muss auch das nichts Großes heißen, denn nicht jede illegale und somit ungesetzliche Handlung bedeutet gleichzeitig, dass auch eine Straftat vorliegt, welche für den Verantwortlichen strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringt. Doch in diesem besonderen Fall könnte der vorliegende Sachverhalt von den zuständigen Stellen der Südtiroler Justiz doch genauer geprüft werden.
Tatsache ist, dass auf Anfrage der Dörferliste Natz-Schabs vom Aufsichtsamt des Landes am 29.08.2018 schriftlich bestätigt wurde, dass eine Nicht-Berücksichtigung des oben erwähnten Artikels 64 des Regionalgesetzes Nr. 2/2018 jedenfalls eine Gesetzesverletzung darstellt und auch strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringen könnte, sollten dafür die Voraussetzungen gegeben sein.
Zugute kommt Überbacher in der Sache sicherlich, dass er, wie sein Vize Plaickner bestätigt, bei Behandlung des Projektes in der Baukommission nicht anwesend war. Den Vorsitz hatte der vom Gemeinderat ernannte Referent Georg Zingerle und die Baukonzessionen wurden vom Vizebürgermeister erlassen.
Ungerechtfertigte Bereicherung?
Zuerst zur rechtlichen Klärung: auf eine weitere Anfrage der Bürgerliste Natz-Schabs an das Aufsichtsamt antwortet dasselbe am 14.05.2019 diesmal mit folgendem Wortlaut: "Wie erwähnt, kann das Fehlverhalten des Ausschussmitglieds schließlich auch zu einem Strafverfahren, typischerweise wegen Amtsmissbrauch führen, sofern der entsprechende Tatbestand erfüllt ist, das heißt: sofern im Zusammenhang mit der inhaltlichen Beschlussfassung ein eigenes Interesse oder das Interesse eines Angehörigen des Referenten besteht, und sofern durch die fehlende Enthaltung, der spezifische Vorsatz verfolgt wird, für sich oder für andere eine ungerechtfertigte Bereicherung zu erwirken, bzw. anderen einen ungerechten Schaden zuzufügen."
Und nun der Clou: In einer Presseaussendung zeigt die Bürgerliste Natz-Schabs auf, dass es eine offensichtliche kommerzielle Nutzung des neu aufgebauten Wohnhauses gibt. Die Bürgerliste verweist dabei auf die immer noch im Internet einsehbare Werbeanzeige einer renommierten Brixner Immobilienagentur, welche ein ebenerdig gelegenes 80 Quadratmeter großes Geschäftslokal samt Keller im Gebäude des Bürgermeisters zur Vermietung anbietet (zur Ansicht der Annonce der Immobilienagentur: hier). Die juristische Frage wird entsprechend sein, ob der Bürgermeister über seinen nahezu bis zum Schluss vollzogenen Interessenskonflikt "für sich oder andere eine ungerechtfertigte Bereicherung" erwirkt hat oder aber ob der Bürgermeister über seine Handlungsweise "anderen einen ungerechten Schaden zugefügt" hat.
Eine Auskunft, welche die Bürgerliste Natz-Schatz jedoch nicht geben will und kann. Die Henne legt das Nest zurecht, hockt sich aber selbst nicht rein. Für die juristische Bewertung sei das Rechtssystem zuständig, meint die Bürgerliste. Sie bestätigt lediglich die "schiefe Optik" in dieser Angelegenheit. "Dass sich gleich mehrere politische Gruppierungen mit dem privaten Bauprojekt des SVP-Bürgermeisters beschäftigen, weckt dementsprechend das öffentliche Interesse und sorgt seit Monaten für Diskussionen in der Bevölkerung", schreibt die oppositionelle Kraft im Natz-Schabser Gemeinderat.
Dass das ungenaue Antwortverhalten des SVP-Vizebürgermeisters zu dieser schiefen Optik und dem Gefühl des Verschleierns maßgeblich beitragen könnte, ist nachvollziehbar.
Der BM und seine Beziehung zur Baufirma
Pöder wollte in seiner Landtagsanfrage auch wissen, wie der Umstand zu bewerten sei, dass der Bürgermeister gerade die Baufirma zum Bau beauftragt hat, mit der er als Bürgermeister einen offenen Konflikt wegen einer Unstimmigkeit in Sachen geförderter Wohnbau hatte. Zu keinem Zeitpunkt hätte es Konflikte oder Unstimmigkeiten zwischen der Gemeindeverwaltung und der ausführenden Baufirma gegeben, schrieb Vize-BM Plaickner, und dies, obwohl der Konflikt damals öffentlich ausgetragen wurde und die Bevölkerung eine ganz andere Erinnerung daran hat.
Fakt ist, dass die betreffende Baufirma – jene die letztlich das private Bauvorhaben für den Bürgermeister realisiert hat – vor Erhalt des Auftrages zur Realisierung des privaten Bauprojektes des Bürgermeisters einen Rekurs gegen die Gemeinde Natz-Schabs am Laufen hatte, welcher mit Vorwürfen zusammenhängen würde, die die Gemeinde der Baufirma wegen Unstimmigkeiten in der Wohnbauzone gemacht hätte. Eigentlich wäre ja alles nicht so dramatisch, wenn nicht die Baufirma plötzlich auch als Bauunternehmen in den Auftragsbüchern des Bürgermeisters aufgetaucht wäre. Selbstverständlich sind das alles noch keine Beweise für das Vorliegen einer Straftat.
Inzwischen hat sich die Auseinandersetzung um das private Bauprojekt des SVP-Bürgermeisters zu einem Raunen durch die ganze Bevölkerung ausgewachsen. Zeitweise sei nämlich auf Grund des Verhaltens der Gemeinde der Eindruck entstanden, dass die Informationsbeschaffenheit erschwert werden sollte, wie sich die Bürgerliste Natz-Schabs ausdrückt. Mehrmals und über längere Zeiträume hinweg hätte man dieselben Anfragen machen müssen, um Informationen und Dokumente zu erhalten.
Die Vorenthaltung von Informationen von seiten Plaickners - dem fragenden Landtagsabgeordneten, dem Südtiroler Landtag und der Öffentlichkeit gegenüber - sollte der Verschleierung dienen, wirft die Bürgerliste konkret den politisch Regierenden in der Natz-Schabser Gemeindestube vor. Besonders scharf ist auch die Kritik der Bürgerliste in Richtung Vize-Bürgermeister. Plaickner sei darüber hinaus schon öfter durch "ungenaues und ablenkendes Antworteverhalten ('er möchte nicht mit E-Mails belästigt werden'), diskriminierende Unterstellungen und Äußerungen in den Gemeinderäumen aufgefallen", so die Bürgerliste Natz-Schabs in ihrer Aussendung.
Wir von VOX NEWS Südtirol haben Bürgermeister Alexander Überbacher um seine Meinung und eine Stellungnahme gebeten, bis Redaktionsschluss aber keine Informationen von ihm erhalten.
Fazit
So nahmen und nehmen die Dinge ihren Lauf. Ob gegen den amtierenden Bürgermeister auf Grund der bekannten Faktenlage ein Ermittlungsverfahren läuft, werden wir zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht erfahren. Nicht umsonst gibt es ein sogenanntes Ermittlungsgeheimnis. Allerdings hat das Wissen über die Ereignisse rund um das private Bauvorhaben des Bürgermeisters für ungute Stimmung in der Bevölkerung gesorgt. Laut Bürgerliste würde man der Gemeindepolitik, besonders im Bauwesen, inzwischen mit Misstrauen und Verärgerung begegnen.
VOX NEWS Südtirol-Quellenverweis:
Einsicht in die relevanten Dokumente finden Sie hier:
1. Bauschilder und Auszug Regionalgesetz - zur Ansicht im PDF-Format: hier
2. Landtagsanfrage des ehemaligen Landtagsabgeordneten Andreas Pöder vom 31.08.2018 - zur Ansicht im PDF-Format: hier
3. Antwortschreiben des Vize-Bürgermeisters Helmuth Plaickner an das Aufsichtsamt der Provinz Bozen vom 04.10.2018 - zur Ansicht im PDF-Format: hier
4. Beantwortung der Landtagsanfrage Nr. 3618/18: Bautätigkeit in Natz-Schabs durch Landesrat Arnold Schuler vom 11.10.2018 - zur Ansicht im PDF-Format: hier