Elias Wallnöfer

"Stelle mir das Paradies auch voller Marmor vor"

Der Laaser Bildhauer Elias Wallnöfer (31) - links im Bild - meißelt im Auftrag der Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair (Münstertal, Schweiz) und im Zuge der Errichtung des neuen Schaulagers des UNESCO-Welterbeklosters St. Johann in Müstair eine 1:1-Kopie eines 1200 Jahre alten Flechtwerksteinornaments in eine über zwei Meter große Stele aus Laaser Marmor. Das von der Laaser Marmorindustrie "Lasa Marmo" (vertreten durch Kurt Ratschiller - rechts im Bild) zur Verfügung gestellte und vom bekannten Schweizer Messerhersteller "Victorinox" mitfinanzierte Kunstwerk, weist in Zukunft den Weg zum Ausstellungsraum, in welchem neben den Flechtwerksteinen aus der Gründerzeit des Klosters auch weitere archäologische Funde ausgestellt werden. Am Samstag, anlässlich des UNESCO-Welterbetages am 12. Juni, wurden in Müstair der neue Schauraum und die noch in Arbeit befindliche Stele aus Laaser Marmor der Öffentlichkeit vorgestellt. VOX NEWS Südtirol hat mit dem Bildhauer Elias Wallnöfer ein Interview geführt.

Der Laaser Künstler Elias Wallnöfer zusammen mit Kurt Ratschiller von der Lasa Marmo GmbH mit der noch in Bearbeitung befindlichen Stele aus Laaser Marmor vor dem Benediktinerinnenkloster St. Johann Müstair. Credits: ts

Der 12. Juni ist UNESCO-Welterbetag. Seit 1983 steht auch das Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair auf der Weltkulturerbeliste. Das um 775 n. Chr. von niemand Geringerem als Karl dem Großen, dem König des Fränkischen Reichs, gegründete Kloster, beherbergt wunderschöne karolingische Fresken aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Noch älter sind sogenannte Flechtwerksteine. Sie sind aus Laaser Marmor und bilden neben der besonderen Architektur und den berühmten Wandmalereien die bedeutendsten erhaltenen Dekorationselemente aus der Gründerzeit des Konvents. Seit Samstag sind sie zusammen mit weiteren archäologischen Funden aus den letzten 50 Jahren in einem neu eingerichteten unterirdischen Schaulager zu besichtigen. Der Bereich vor dem neuen Ausstellungsraum wird mit einer über zwei Meter großen, 30 x 30 Zentimeter langen und breiten sowie 700 Kilogramm schweren Stele aus Laaser Marmor markiert. Der Laaser Bildhauer Elias Wallnöfer wurde von der Stiftung Pro Kloster St. Johann Müstair beauftragt ein vor 1200 Jahren entstandenes Flechtwerksteinornament 1:1 auf die neue Stele zu übertragen. VOX NEWS Südtirol hat mit dem Laaser Künstler ein Interview geführt.

VOX NEWS Südtirol: Elias, wie kamst Du zu diesem Auftrag?

Elias Wallnöfer: "Die Wurzeln dieses Auftrags sind der Wunsch eines 'Wegweisers' für das neue Schaulager. Der Nährboden für diese Wurzeln sind Sponsoren die dieses Werk stifteten. Namentlich sind es die Victorinox AG und die Lasa Marmo GmbH. Diesen und dem Kloster St. Johann verdanke ich die Umsetzung dieses Kunstwerks. Nach einem Treffen mit Walter Anderau, dem Präsidenten der Stiftung Pro Kloster St. Johann, und Kurt Ratschiller von der Lasa Marmo GmbH, wurde die Planung des Werks allmählich konkret. Zusammengefasst verdanke ich also der Victorinox AG, der Lasa Marmo GmbH sowie Walter Anderau und Kurt Ratschiller die Verwirklichung dieses Werks."

VNS: Wie gingst Du konkret an die Arbeit?

Elias Wallnöfer: "Bei der 'Inspirationssuche' im Schaulager ist mir ein Ornament, welches ein Fundstück ist, ganz besonders ins Auge gesprungen. Doch bevor es zur Verwirklichung kam ging eine längere Planungs- und Entwurfsphase vorher. Ursprünglich wollte ich das Ornament dreimal wiederholen. Es zeigte sich aber, dass die Stele dann überladen gewirkt hätte. Schlussendlich zeigte sich mir, dass das Ornament nicht aufdringlich sein will, es will nicht nach Aufmerksamkeit schreien, schon gar nicht an einem ruhigen, in sich gekehrten Ort. Eine 'Litfaßsäule' braucht es hier nicht. Das Ornament will entdeckt werden."

VNS: Du sagst, das Ornament ist dir besonders aufgefallen. Warum hast Du es ausgewählt?

Elias Wallnöfer: "Zunächst hat es mich wegen der dargestellten Vögel angesprochen. Die Tiere inspirierten mich bereits bei meinen vorhergehenden Werken. Allerdings habe ich mich dabei immer sehr stark an naturalistische Darstellungen gehalten. Nun war es eine erfrischende Abwechslung für mich, Vögel symbolisch bzw. stilisiert darzustellen. Vermutet wird, dass die Ranken und Vögel am Ornament für das Paradies stehen. Ein sehr schöner Gedanke, finde ich. Und da ich mir das Paradies auch voller Marmor vorstelle, fand ich es sehr passend dieses für den Eingang des Schaulagers aufzugreifen. Schließlich ist das Schaulager ja auch voller Marmor."

VNS: Wie sieht ein junger Steinmetz wie Du eine solche Vorlage, die 1200 Jahre alt ist?

Elias Wallnöfer: "Das Ornament welches in die Stele aus Laaser Marmor gehauen ist, ist eine Hommage an ein Ornament welches bereits seit rund 1200 Jahren hier am Kloster existiert. Das Original besitzt eine sehr starke Aussagekraft, die es in den letzten 1200 Jahren sammeln durfte. Diese sind nicht ganz ohne Spuren an ihm vorbeigezogen. Es besitzt Patina, Charakter, Charme ... Meiner Meinung nach besitzt das Original alles, was ein gelungenes Werk ausmacht. Ein solches macht meiner Meinung nach aus, dass es Charakter besitzt.

"Ich wollte keine Kopie erschaffen, bestenfalls eine Hommage", Elias Wallnöfer, Bildhauer.

Der Charme liegt vielleicht auch darin, dass es seinen eigenen Gesetzen folgt: die Balkenstärken variieren sehr stark, der Schwung ist oft unterbrochen... Nichts stimmt und doch wirkt es stimmig. Für mich lag die Herausforderung darin, auf Grundlage des Originals ein neues stimmiges Werk mit eigener Handschrift zu erschaffen. Auch das neue Ornament soll Charakter haben, aber einen eigenen. Ich wollte keine Kopie erschaffen, bestenfalls eine Hommage."

VNS: Wie hast Du konkret dann Deine Interpretation umgesetzt?

Elias Wallnöfer: "Mir ist wichtig, dass sich bei meiner Interpretation der Schwung über das gesamte Werk durchzieht, alles soll in Bewegung sein, die Kreise sich drehen und winden. Im Kontrast steht eine massive Stele, welche die Aufgabe hat das fast schwerelose und unbefangene Ornament zu tragen. Puristisch der Träger, verspielt das Getragene. Schwerer noch erschien mir jedoch die Aufgabe einem so besonderen Werk wie dem Original-Ornament gerecht zu werden. Ich denke die Herausforderung bestand darin, es zu 'übersetzen'. Im Kontrast steht eine doch eher eine massiv- anmutende Stele. Bewusst im Kontrast. Dieser Kontrast betont das Wesentliche - das Ornament. Um genau zu sein sieht diese Stele nicht nur massiv aus, sie ist über zwei Meter groß und wiegt auch über 700 Kilogramm. Am unteren Ende ist das Ornament Richtung  talauswärts offen, erst ganz oben schließt es sich wieder. So wie sich der Kreis schließt, wenn man an die Ornamente im Schaulager denkt. Diese sind auch aus Laaser Marmor. Genauso wie die neue Stele."

VNS: Elias, Dein Werk knüpft nun an eine 1200 Jahre alte Geschichte an. Was macht das mit Dir?

Elias Wallnöfer: "Der Gedanke an ein Werk anschließen zu dürfen, welches 1200 Jahre alt ist erfüllt mich mit Ehrfurcht. Die Angst Fehler zu machen ist dabei omnipräsent und ich musste mehrmals aufpassen, dieser Angst nicht zu erliegen und durch sie zu verkrampfen. Denn wenn das passiert habe ich den größten Fehler bereits zugelassen und mich selbst der künstlerischen Freiheit beraubt."

VNS: Du hast Deine Werkstätte kurzerhand vom Marmordorf Laas ins Kloster verlegt. An welchem Punkt bist Du mit den Arbeiten heute?

Elias Wallnöfer: "Die Arbeit vor Ort gefällt mir sehr gut, ich darf neben der Arbeit am Stein viele Eindrücke und viel Wissen mitnehmen. Dieses bekomme ich vor allem durch die zahlreichen Experten mit, von denen ich hier umgeben bin. Natürlich ist die Versuchung groß, mich mit dem Thema der Ornamentik vertieft zu befassen und durch einen Blick hinter die Kulissen der Restauration und Archäologie, wird diese Versuchung erst recht lebendig. Dies ist aber kein Ort um Versuchungen nachzugeben, dank positiver Energie und Überstunden bin ich nun bei der Ausarbeitung der Details angelangt. Eigentlich schade, ich würde gerne noch etwas hier bleiben wollen."

VNS: Vielen Dank Elias für das Gespräch.

VOX News Südtirol / ts