Das Sommergespräch

"Wer aus Fehlern nicht lernt, handelt verantwortungslos"

Wenn es um die Corona-Politik in Südtirol geht, kann der Landtagsabgeordnete und Obmann der Freiheitlichen Südtirols Andreas Leiter Reber nur den Kopf schütteln. Bereits im Oktober des Vorjahres bemängelte er, dass mit den ständigen Verordnungen, die allein vom Landeshauptmann erlassen werden, die Demokratie in Südtirol ausgehebelt sei. Konkret forderte er, dass der Landtag bei den Corona-Maßnahmen endlich mitreden müsse. Einen Monat später wurde Leiter Reber sogar vom Landtagspräsidenten gerügt, da er während einer Landtagssitzung im Zuge eines Wutausbruchs Arno Kompatschers Corona-Politik mit dem Faschismus und der DDR verglichen hatte. Im Frühjahr dieses Jahres bezeichnete Leiter Reber Italiens Corona-Maßnahmen-Politik als "von Panik geleitet". Und zur Südtiroler Corona-Politik sagte er, dass Arno Kompatscher und Julia Unterberger plötzlich mutig werden, wenn's ums Schikanieren der eigenen Bevölkerung gehen würde, während ansonsten wichtige Entwürfe zum Autonomieausbau seit Jahren auf Eis liegen würden. Andreas Leiter Reber ist zweifelsfrei rastlos, wenn es darum geht den Regierenden im Rahmen ihrer Corona-Politik den Spiegel vor Augen zu halten. VOX NEWS Südtirol hat den Südtiroler Oppositionspolitiker zum Sommergespräch gebeten und ihm fünf Fragen zur Corona-Politik des Landes gestellt.

Andreas Leiter Reber. Der Landtagsabgeordnete und Obmann der Freiheitlichen in Südtirol sagt im VOX-NEWS-Südtirol-Sommergespräch: "Wer aus Fehlern nicht lernt, handelt verantwortungslos". Foto: VOX NEWS Südtirol 2021

VOX NEWS Südtirol: Herr Leiter Reber das Corona-Virus und damit die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung der mit dem SARS-CoV-2-Virus verbundenen Covid-19-Erkrankung grassieren mittlerweile schon knapp eineinhalb Jahre. Wie sehr hat diese Krise Südtirol geprägt und auch verändert?

Andreas Leiter Reber: Wir haben jetzt eineinhalb Jahre erlebt, wie sie in den letzten Jahrzehnten keine Generation erlebt hat, mit gravierenden Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten die sich als immense Bremse für unser gesellschaftliches Zusammenleben und die Wirtschaft auswirkten. Der Mensch ist ein Herdentier, er lebt und arbeitet in der Gemeinschaft, trifft und unterhält sich gern. Und Südtirol ist als alpines Tourismusland zudem auch wirtschaftlich stark von Begegnungen abhängig. Unsere sozialen Kontakte sind in diesen eineinhalb Jahren jedoch für eine ungesund lange Zeit auf ein Minimum reduziert worden, mit enormen Kollateralschäden - auch für die Psyche. Dies haben vor allem die Jüngeren und die bereits Betagten unter uns zu spüren bekommen. Zudem sind all jene Probleme, die wir bereits vorher schon gehabt haben, plötzlich vor aller Augen schonungslos sichtbar geworden, also auch für jene Südtiroler, denen unsere großen Defizite im Gesundheitsbereich unbekannt waren oder die sich der Tatsache, dass unsere Landesautonomie in vielen wesentlichen Bereichen zahnlos ist, bisher nicht bewusst waren. Auch ohne Corona haben wir ein Gesundheitssystem, das uns immens viel Geld kostet und wenn ich an die Wartezeiten, das mangelnde Pflegepersonal oder die Garantie auf Gebrauch der Muttersprache denke, dann sind wir nicht imstande eine zufriedenstellende Versorgung für die Bevölkerung zu erbringen. Insbesondere hat sich gezeigt, dass unsere Landesverwaltung selbst in 18 Monaten nicht flexibel genug ist, um auf die gebotenen Herausforderungen reagieren zu können. Es hat aber auch gute Seiten geben. Die Südtiroler – und ich denke hier vor allem an die erste Zeit in der Corona-Krise im März 2020 – haben sich sehr solidarisch gezeigt. Als auch unser Land von der neuen Krankheitswelle überrascht worden ist, haben es viele als ihre moralische und ethische Pflicht angesehen ihre Kontakte und Gewohnheiten einzuschränken und sie waren auch bereit wirtschaftliche Verluste in Kauf zu nehmen, um ältere Menschen und unser Gesundheitswesen zu schützen. Auch die die beinah vergessene Nachbarschaftshilfe wurde in vielen Gemeinden neu und auf fabelhafte Art und Weise belebt. Solche Einschränkungen können jedoch immer nur für einen kurzen, überschaubaren Zeitraum funktionieren. Je länger die Kontakt- und Berufsverbote angedauert haben und man gesehen hat, dass die Regierungen in Bozen und Rom mit den immer gleichen Antworten und Maßnahmen daherkommen, ist die Stimmung verständlicherweise gekippt. Die Frage nach der moralischen und ethischen Verantwortung hat sich spätestens im Winter 2020/21 umgekehrt. Und die Menschen fragen sich bis heute: Wie lange kann eine demokratische Regierung eine liberale, freie Gesellschaft noch bevormunden? Wie lange lassen sich die Beschneidungen bürgerlicher Freiheiten noch rechtfertigen? Wie kann die Landesregierung Arbeitsverbote aussprechen, wenn sie zugleich nicht in der Lage ist, weder die erkrankten Menschen, noch die wirtschaftlich geschädigten Menschen ausreichend zu versorgen? Ich befürchte, dass wir in Südtirol im anstehenden Herbst es erneut anderen westeuropäischen Ländern nachmachen werden und die gleiche Platte erneut auflegen werden. Ich kann nicht erkennen, dass wir uns an jene Länder orientieren, die wie viele amerikanische Bundesstaaten bei der Bekämpfung der Pandemie einen anderen Weg gegangen sind, aber auffallend ähnliche Infektionskurven und Todeszahlen aufweisen.

VNS: Herr Leiter Reber die Bewältigung der Corona-Krise war für viele Politiker insbesondere in liberalen demokratischen Ländern eine echte Herausforderungen. Aus der Sicht eines Oppositionspolitikers: Sind auch in Südtirol durch die Corona-Krise die systematischen Fehler der Politik der regierenden Parteien verstärkt ans Tageslicht gekommen?

Andreas Leiter Reber: Es sind generell die Mankos Südtirols und auch die Mankos der Politik zum Vorschein gekommen. Politisch vor allem deshalb, weil Südtirol auch vor Corona ein erkennbares Demokratiedefizit gehabt hat. Ich kenne kein anderes Land, jedenfalls kein anderes demokratisches Land in Europa, wo seit über 70 Jahren ein und dieselbe Partei regiert. Das wirkt sich natürlich stark auf das Selbstverständnis und die Betriebsblindheit dieser Partei und färbt auch auf die Bevölkerung aus, genauso wie auf die lokalen Medien ab. Noch nicht mal der öffentlich-rechtliche Rundfunk schafft es, unabhängig und mit der gebotenen Distanz zu berichten, geschweige denn investigativ oder zumindest hinterfragend zu recherchieren. Wir haben jetzt in dieser Corona-Phase eine erneute Zuspitzung erlebt, denn die Demokratie und die parlamentarische Debatte war und wurde noch um einiges eingeschränkter als zuvor. Es hat nicht der Landtag Dekrete erlassen, sondern allein der Landeshauptmann. Er hat zum Beispiel Ausgangs- und Berufsverbote verhängt oder Gemeinden zum Sperrgebiet erklärt, ohne jemals den Landtag einzubeziehen. Unser Landesparlament ist politisch völlig ausgeblendet worden und es hat Monate gedauert, bis wir wieder in eine Art normalen politischen Diskurs eingetreten sind.

VNS: Herr Leiter Reber, eine Rolle in der Opposition, sagt man, ist immer einfacher, als jene in der Regierung. Was hätten denn Sie als Politiker anderes gemacht, als die regierenden Politiker um die Corona-Krise in Südtirol zu bewältigen?

Andreas Leiter Reber: Im Frühjahr 2020 hätte ich wahrscheinlich nicht viel anders gemacht, weil da waren wir ja alle irgendwo überrascht und vielleicht auch in bestimmten Momenten überfordert. Aber spätestens im Sommer nach dem ersten Corona-Frühjahr, den man ungenutzt verstreichen hat lassen, wo man zu wenig Intensivbetten aufgestockt hat, wo man nicht geschaut hat, genügend Personal zu rekrutieren, hier hätte man vieles anders und besser machen können. Wir wussten doch damals schon: Im Winter werden die Infektionszahlen wieder hochgehen und wir werden erneut zu wenig Intensivbetten haben. Und wir reden von einem Zeitpunkt, wo noch keine Impfungen für die Risikogruppen zur Verfügung standen. Folglich hat man riskiert sehenden Auges wieder in die gleiche Situation wie im Frühjahr hineinzuschlittern und das gesellschaftliche Leben viel länger runterzufahren als es zum Beispiel in Trient der Fall war. Das ist der Wahnsinn. Und wer aus den eigenen Fehlern nicht lernt und dann nicht vorbereitet ist, der handelt für mich verantwortungslos. Und das sehe ich ganz klar, wenn wir uns den Gesundheitsbereich anschauen: Bei 30 belegten Intensivbetten ist in Südtirol Schicht im Schacht und dann wird der Lockdown verhängt und ich befürchte, dass es auch nach diesem Sommer wieder genauso so kommen wird. Vor allem aber hätte ich die Test- und Impfkampagnen völlig anders aufgezogen und versucht, nicht nur den Landtag, sondern die Bevölkerung von Anfang an einzubeziehen und mitzunehmen. Die Chancen und Grenzen der Impfungen sind vernünftig und neutral aufzuzeigen und positiv zu vermitteln, ohne offene oder versteckte Zwänge wie wir sie derzeit erleben. Statt impfkritische Personengruppen oder ganze Gemeinden öffentlich zu stigmatisieren, sollten wir endlich die über eigene Antikörper natürlich Immunisierten berücksichtigen und zusehen, dass wir effektiv erkrankte Menschen bestmöglich versorgen können. Denn ein Teil der Risikogruppe wird auch künftig auf medizinische Hilfe angewiesen sein.

VNS: Eine Zwischenfrage Herr Leiter Reber. Weil wir auch im zweiten Corona-Sommer nichts daraus gelernt haben …

Andreas Leiter Reber: Genau, weil wir nichts daraus gelernt haben und weil wir uns nicht organisieren und neu sortieren. Sind wir doch mal ehrlich: bei den hunderten Millionen Euro, die wir aufwenden, nicht nur für den Gesundheitsbereich, sondern auch um die wirtschaftlichen Corona-Folgeschäden irgendwie auszugleichen. Da muss man mir schon einmal sagen, warum man zum Beispiel nicht konkret Geld in die Hand nimmt, um gezielt Krankenhauspersonal aufzustocken und es notfalls auch aus anderen Ländern herzuholen? Bis zum Schluss ist die Sache eigentlich ähnlich wie bei den Schutzmaterialien, wo man auch geschaut hat, als Not am Mann war, wo kriegt man es her … und die Anbieter haben natürlich die Schutzmaterialien dorthin geliefert, wo mehr dafür bezahlt wurde. Ähnlich verhält es sich, wenn ich von vorneherein weiß, dass ich mit unseren Intensivbetten und Pflegern nicht besonders weit kommen werde. Dann muss die Politik sich organisieren, tätig werden, Kapazitäten aufstocken und die Arbeitsplätze attraktiv gestalten. Doch genau das Gegenteil geschieht. Man führt eine Impfplicht für das Gesundheitspersonal ein, wobei es mir nicht darum geht eine Tür gegen das Impfen aufzustoßen, sondern es ist eben Tatsache, dass wir riskieren zusätzliches Personal zu verlieren. Wissend, dass wir zwar jeden Menschen im praktischen Sanitätsbereich brauchen, aber dennoch zusätzlich Leute zu vergraulen, das ist verantwortungslos und wirklich blanker politischer Wahnsinn.

VNS: Herr Leiter Reber, ein politischer Nebeneffekt der Corona-Krise war und ist auch, dass zum ersten Mal nach vielen Jahren des Wohlstandes und des ethnischen Friedens die Menschen in Südtirol auch die Grenzen der aktuellen Südtirol Autonomie zu spüren bekommen haben. Noch nie hat die direkte politische Abhängigkeit von Rom seit Einführung des Südtiroler Autonomiestatutes so einschneidend die Schwachstellen der Autonomie offen gelegt. Hat die Corona-Krise den Wunsch der Freiheitlichen in Südtirol nach einer wirklichen und echten Vollautonomie oder eines Freistaates noch weiter ausgeprägt?  

Andreas Leiter Reber: Das stimmt. Wir sehen es im Landtag bei jedem Gesetz, das wir behandeln, dass unsere Autonomie in ein sehr, sehr enges Korsett geschnürt ist. Wir stoßen ständig an die staatlichen Grenzen und seit Jahren kommen wir beim Autonomie-Ausbau keinen wesentlichen Schritt weiter. Dies, obwohl die Volkspartei seit über 10 Jahren die Vollautonomie propagiert und als Losung ausgibt. Unter SVP-Obmann Richard Theiner war das schon so und Landesrat Widmann hat 2012 sogar ernsthaft vorgeschlagen, wir sollten uns mit 15 Milliarden Euro freikaufen, um uns selbst verwalten zu können. Von diesen Plänen zur Vollautonomie ist in der Praxis jedoch gar nichts angekommen. Wir haben zwar drei Verfassungsentwürfe zum Autonomieausbau vorliegen, die die Volkspartei vor den Landtagswahlen immer wieder schön den Südtirolern serviert. Sie reicht sie zwar in Rom ein, jedoch lässt sie sie dort regelmäßig verstauben und noch nicht mal die notwendigen Gutachten aus unserem Regionalrat hat sie in den letzten drei Jahren erstellt und verabschiedet. Und die Vollautonomie war ja auch die Antwort der Volkspartei auf die Unabhängigkeit von Italien. Wir haben vor rund 10 Jahren stark wachsende Strömungen im Land gehabt, die eine offene Sezession und ein unabhängiges Südtirol begrüßten, indem alle drei Volksgruppen auf Augenhöhe miteinander leben – ähnlich einer kleinen Schweiz. Das Modell einer Vollautonomie war dann die Antwort der Volkspartei darauf. Eine Vollautonomie begrüße ich, wenn sie alle wesentlichen Bereiche bis hin zu den Finanzen und Steuern umfasst, und ich würde mich freuen, wenn die SVP hier endlich Ergebnisse liefert. Die Autonomie, wie wir sie jetzt kennen und mit ihr die Formen des Minderheitenschutzes, mit der ethnischen Trennung und dem Proporz waren über lange Zeit wichtige Grundpfeiler für den Erhalt der deutschen und ladinischen Volksgruppe und die positive Entwicklung Südtirols innerhalb Italiens. Die Entwicklung unseres Landes geht aber weiter. Land und Leute haben sich stark verändert und die alten Werkzeuge der Autonomie greifen oft nicht mehr. Wir sind bereits in vielen Bereichen nicht mehr im Stande den Proporz zu gewährleisten und wir haben es völlig versäumt ein Südtiroler Landesbewusstsein zu entwickeln. Wenn wir nicht Rückschritte in Richtung normaler italienischer Provinz machen wollen, müssen wir einen neuen Weg gehen. Es gab dazu ja auch den von Landeshauptmann Kompatscher organisierten Autonomiekonvent, bei dem hunderte Südtiroler über zwei Jahre mitgearbeitet haben. Es ist traurig, dass die Volkspartei hier nichts mehr draus macht. Aber es ist wohl so, dass bei diesem Autonomiekonvent nicht das gewünschte Ergebnis rauskommen ist. Die Schaffung einer eigenen "Region Südtirol" und die Übernahme aller derzeit sekundären Kompetenzen sind alles Schritte in eine Selbstverwaltung. Denn innerhalb Italiens schaffen wir es autonomiepolitisch nur als eigenständige Region effizient weiterzukommen. Und Weiterzukommen heißt für mich, dass man einen ernsthaften Prozess einleitet, wo alle drei Volksgruppen gemeinsam über die Eigenständigkeit dieses Landes beraten. Welche Form diese Eigenständigkeit dann annehmen soll, ob es eine Vollautonomie mit allen Kompetenzen ist, wo nur mehr die Lufthoheit, um ein Beispiel zu nennen, oder der italienische Euro bleiben, aber alle anderen Kompetenzen ausschließlich in Südtirol liegen, oder ein souveränes Land wie Liechtenstein werden die Menschen selbst entscheiden. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir auf regionaler Ebene viel besser der Realität unseres Landes gerecht werden, unsere Brückenfunktion zwischen Nord- und Süd um ein Vielfaches besser nutzen und die anstehenden Herausforderungen gezielter bewältigen können. Und das hat nichts mit einer Kleinstaaterei zu tun, denn wir werden ohnehin eingebettet sein in die großen europäischen und internationalen Wirtschaftskreisläufe und der intensive Austausch mit Italien, Österreich und andere für uns wichtige Länder kann und darf Südtirol ohnehin niemals einstellen. So wie eine Gemeinde selbst entscheiden soll, wie und wohin sie sich entwickelt, wie hoch sie ihre Gebühren festlegen oder welche Dienste sie anbieten will, so soll auch Südtirol als Land selbst entscheiden, welche Befugnisse es wahrnehmen will. Als Freiheitliche sind wir der Meinung, dass wir Südtiroler alles was wir selber regeln können, selber regeln sollen und auch selbst dafür verantwortlich sein müssen und nicht immer dieses miese Spiel machen: Wenn etwas negativ ist, dann kommt es aus Rom und wenn etwas positiv ist, dann kommt es aus Bozen und dort am besten von der SVP.

VNS: Herr Leiter Reber, die nächsten Landtagswahlen in Südtirol sind im Jahre 2023. In Deutschland werden die Corona-Maßnahmen der aktuell Regierenden bereits im diesem Sommer im Rahmen der Bundestagswahl auf die Waagschale zur Entscheidung gelegt. Laut einer am Freitag (16.07.2021) von der Südtiroler Wirtschaftszeitung veröffentlichten Umfrage, würde die SVP weiterhin mit über 43 Prozent die stärkste Kraft im Land sein. Angenommen auch in Südtirol wären im Herbst Landtagswahlen. Wie würde Ihrer Meinung nach der Südtiroler Landtag ausschauen, wenn bereits in diesem Herbst in Südtirol Landtagswahlen wären?

Andreas Leiter Reber: Ich befürchte, dass der Landtag relativ unverändert ausschauen wird. Die Volkspartei wird wohl leicht verlieren, aufgrund ihrer Corona-Politik, aber auch einfach deshalb, weil viele traditionelle SVP-Wähler altersbedingt wegsterben. Ebenso die Lega, die als Regierungspartner nichts zu melden hat und keines ihrer zentralen Themen auch nur ansatzweise umsetzen konnte.  Zugleich sehe ich aber auch keine großartigen Zugewinne bei den anderen Parteien. Ich beobachte eine immer auffallendere Klientelpolitik für einzelne Sparten. Wir haben für jedes kleine und größere Reizthema eine Partei oder gar einzelne Abgeordnete, schon jetzt sitzen bei 35 Abgeordneten 11 verschiedene Parteien im Landtag und von dieser Fülle profitiert natürlich die SVP als zwar regelmäßig verlierende, aber immer noch stärkste Partei ganz besonders. Sie kann mit den vielen Kleinen nach Belieben Schlitten fahren und sie gegenseitig ausspielen. Hinzu kommt, dass sich viele Bürger von der Südtiroler Landespolitik abwenden. Einige aufgrund der insgesamt schwachen politischen Performance und weil so manche für unser Land zentrale Themen medial nicht präsent sind und stattdessen für viele Bürger völlig unverständliche oder ermüdende Scheindebatten breiten Raum einnehmen. Das alles stärkt das Desinteresse und lenkt von unseren großen autonomiepolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ab und stärkt die der Regierungspartei nahestehenden Verbände und Lobbys. Das ist sehr schade, aber vor allem schlecht für eine lebendige Demokratie, gefährlich für eine kleine Minderheit in Italien und vor allem wird Südtirol darin behindert sein noch schlummerndes Potential voll auszuschöpfen. Ein Update und Neustart der derzeitigen Landespolitik würde Südtirol deshalb guttun.

VNS: Herr Leiter Reber, danke für das Gespräch.

Andreas Leiter Reber: Danke auch.

VOX News Südtirol / red