Der ASGB feiert den Tag der Arbeit

Tschenett: "LH Kompatscher hat Sisyphusaufgabe bravourös gemeistert"

Aufgrund der Covid-19-Krise kann der ASGB heute den 1. Mai nicht mit Mitgliedern und Freunden in Völs feiern. Dennoch war es dem Bund ein Bedürfnis, auch dieses Jahr die traditionelle 1. Mai-Rede des ASGB-Vorsitzenden Tony Tschenett zu teilen. VOX-NEWS-Südtirol veröffentlicht mittels VIDEO die Grußbotschaften von LH Arno Kompatscher und Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer sowie auch zum Nachlesen die Rede des ASGB-Vorsitzenden Tony Tschenett. In dieser lobt der ASGB-Vorsitzende die Krisenarbeit von Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Landesregierung und des Südtiroler Landtages. Sie hätten das getan, was man sich von ihnen in Krisenzeiten erwarten würde, nämlich "Stärke zu zeigen".

Der ASGB-Vorsitzende Tony Tschenett. "Politik hat in Krise Stärke gezeigt"

Der ASGB feiert den Tag der Arbeit. Aufgrund der geltenden Ausgangsbeschränkungen und des Versammlungsverbotes zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus hat der ASGB ein Video mit Grußbotschaften von Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrat Philipp Achammer und einer Rede des ASGB-Vorsitzenden Tony Tschenett zusammengestellt und veröffentlicht.

Tschenett spricht in seiner Rede davon, dass die letzten Monate haben uns alle an unsere Grenzen gebracht haben. Die politischen Verantwortungsträger hatten dabei eine Mammutaufgabe zu bewältigen: "in Krise geratene Bürger und Unternehmen unterstützen, Familien aufzufangen und sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Produktivität langsam wieder steigern kann, um den Wohlstand langfristig zu sichern. Trotz dieser Anstrengungen unserer politischen Vertreter hat sich vereinzelt auch Kritik an den Maßnahmen breitgemacht. Und leider gibt es auch Kategorien, aus deren Sicht die Kritik irgendwie gerechtfertigt ist. Nicht, weil die Politik schlecht gearbeitet hat, sondern aufgrund der Tatsache, dass immer Späne fallen, sobald gehobelt wird. Und in dieser Krisensituation bedeutet dies leider, dass Einzelne aus dem Rost fallen. Die aufzufangen, muss nun unser aller Ziel sein. Trotzdem, ich bin der Meinung, dass die Landespolitik, allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher, diese Sisyphusaufgabe bravourös gemeistert hat. Es war eine mutige Entscheidung des Landes, Schulden aufzunehmen und zu den nationalen Maßnahmen auch lokale Maßnahmen zur Unterstützung der von der Krise betroffenen Bürger und Unternehmen zu setzen", so der ASGB-Vorsitzende in seiner Rede. Beruhigend findet er es, dass die Landesregierung und der Südtiroler Landtag sich in diesen schwierigen Tagen ihrer Verantwortung gestellt haben und stellen und das tun, was von ihnen erwartet würde "Stärke zu zeigen".

VOX-NEWS-Südtirol gibt das Video und im vollständigen Wortlaut auch die Rede von Tony Tschenett wieder:

Die Rede des ASGB-Vorsitzenden Tony Tschenett zum 1. Mai 2020 Tag der Arbeit:

"Liebe Südtiroler, liebe Freunde des ASGB, geschätzte Mitglieder, verehrte Vertreter der Parteien und der Medien,

den wichtigsten Tag der arbeitenden Bevölkerung, aber auch der Rentner, der Familien und Jugend, den 1. Mai, begeht der ASGB traditionell in Völs. Die letzten Jahre war unsere größte Sorge, ob wir den 1. Mai am Festplatz feiern dürfen, oder ob wir aufgrund schlechten Wetters in geschlossene Räumlichkeiten ausweichen müssen.

Nun hat uns eine Pandemie erreicht, von der wir nie gedacht hätten, dass so etwas jemals passieren könnte. Die gesamte Welt fährt im Leerlauf, Sanitätssysteme sind am Kollabieren, Familien wissen nicht, wie sie die plötzlich zu Hause gebliebenen Kinder betreuen sollen, Unternehmen fürchten um ihre Existenz, dasselbe gilt für viele Beschäftigte. Familien haben Familienmitglieder verloren und viele Bürger vereinsamen.

Ich habe heute ein komisches Gefühl, im Büro vor einem Stativ zu sitzen, anstatt zu Euch zu sprechen, meine Rede anschließend mit Euch zu diskutieren und diesen Feiertag mit Euch zu begehen.

Wie viele Menschen in unserer Umgebung leiden aktuell unter der Covid-19 Krise? Wie viele Menschen wissen nicht, wie sie ihre Miete bedienen sollen oder was ihnen die Zukunft bringt? Wie viele Angestellte und Arbeiter müssen mit reduziertem Lohn leben oder sind arbeitslos geworden? Wie viele Selbstständige stehen vor dem finanziellen Ruin? Selbstverständlichkeiten darf man heute getrost als Privilegien bezeichnen. Covid-19 hat uns vor Augen geführt, wie fragil das globale System eigentlich ist.

Eine Krise haben wir bisher vorwiegend mit hausgemachten Spekulationsblasen assoziiert, wie 2008/2009 geschehen. Die Auswirkungen damals waren, laut Meinung führender Ökonomie-Experten, relativ gering, im Vergleich zur aktuellen Krise. Denn damals hat die Globalwirtschaft zwar gelitten und einige Branchen waren extrem betroffen, es gab damals aber keinen Totalstillstand der Produktion, des Tourismus, des Handwerks, und der Dienstleistungen, sowie einen Quasi-Stillstand des Handels. Und es gab in den vergangenen Wirtschaftskrisen keine Ausgangssperren. Wer hätte gedacht, dass wir jemals auf die Freiheit, uns frei bewegen zu dürfen, verzichten müssen?

Liebe Zuhörer,

die letzten Monate haben uns an unsere Grenzen gebracht. Die politischen Verantwortungsträger haben eine Mammutaufgabe zu bewältigen: in Krise geratene Bürger und Unternehmen unterstützen, Familien aufzufangen und sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Produktivität langsam wieder steigern kann, um den Wohlstand langfristig zu sichern. Trotz dieser Anstrengungen unserer politischen Vertreter hat sich vereinzelt auch Kritik an den Maßnahmen breitgemacht. Und leider gibt es auch Kategorien, aus deren Sicht die Kritik irgendwie gerechtfertigt ist. Nicht, weil die Politik schlecht gearbeitet hat, sondern aufgrund der Tatsache, dass immer Späne fallen, sobald gehobelt wird. Und in dieser Krisensituation bedeutet dies leider, dass Einzelne aus dem Rost fallen. Die aufzufangen, muss nun unser aller Ziel sein. Trotzdem, ich bin der Meinung, dass die Landespolitik, allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher, diese Sisyphusaufgabe bravourös gemeistert hat. Es war eine mutige Entscheidung des Landes, Schulden aufzunehmen und zu den nationalen Maßnahmen auch lokale Maßnahmen zur Unterstützung der von der Krise betroffenen Bürger und Unternehmen zu setzen.  Ich finde es beruhigend, dass die Landesregierung und der Südtiroler Landtag sich in diesen schwierigen Tagen ihrer Verantwortung stellen und das tun, was von ihnen erwartet wird – "Stärke zu zeigen".

"Stärke zeigen" war das Motto unserer letztjährigen Erste-Mai-Feier und es könnte heute passender nicht sein. Ich sage euch mit großem Ernst – wir alle müssen Stärke zeigen. Und wir alle müssen zusammenhalten. Und wir alle müssen uns bewusst sein, dass diese Krise nicht innerhalb weniger Wochen überstanden sein wird.

Eines hat uns diese Krise aber auch gelehrt: wie wichtig Berufe im Sanitätsbereich, im Pflegebereich, im Handel oder im Transportwesen sind. Allesamt Berufe, deren Entlohnung zu wünschen übriglässt. Gerne verfallen wir aktuell in Lobeshymnen über die Helden der aktuellen Situation. Kein Verein, keine Partei und kein Medium, welches nicht eine Laudatio auf die ebengenannten Berufsgruppen hält. Wir müssen aber ernsthaft darüber diskutieren, wie man diese Berufe aufwerten kann. Man wird auch über Gehaltserhöhungen sprechen müssen, wenn der Wirtschaftsmotor wieder intakt ist. Von Lobgesängen alleine können auch Helden sich nichts kaufen. Unter anderem hat uns diese Krise aber auch gelehrt, dass die Digitalisierung bei Berufen mit Menschenkontakt an ihre Grenzen stößt und hoffentlich auch, wie wichtig beim Einkauf der lokale Kreislauf und der stationäre Handel sind.

Als Familienvater ist mir heute aber auch besonders wichtig, das Thema Familie anzuschneiden. Die abrupte Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen ab Anfang März hat die Familien vor besondere Herausforderungen gestellt. Plötzlich merkt man, wie wichtig die externe Kinderbetreuung für Haushalte mit zwei Erwerbstätigen oder Alleinerziehern ist. Die italienische Regierung hat mit ihrem „Cura Italia Dekret“ zwar eine Sonderelternzeit von 15 Tagen eingeführt, sowie Baby-Sitter-Voucher, aber diese Maßnahmen waren für die meisten Familien reinste Kosmetik. Was nützen mir 15 Tage, wenn mein Kind über ein halbes Jahr zu Hause ist? Wer kann es sich leisten, für 15 Tage auf die Hälfte des Lohns zu verzichten? Dann schon lieber smartworken von zu Hause, bei gleichem Lohn, dachten sich viele Eltern. Die wurden aber bald schon eines Besseren belehrt: die Grenzen zwischen Alltag und Beruf verschwimmen, die Energie der Kinder im Hausarrest nimmt zu und die meiste Arbeit muss nach dem Zubettgehen der Kinder nachgeholt werden. Für viele der reinste Alptraum. Man merkt auf einmal, wie wichtig die Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind.

Einige unter uns sind leider auch von Todesfällen durch Covid-19 betroffen. Denen möchte ich zu diesem heutigen Anlass mein tief empfundenes Beileid ausdrücken. Ist der Abschied von geliebten Menschen bereits in normalen Zeiten schwer, ist er umso schwerer in der heutigen Zeit, da er aufgrund der Sicherheitsprotokolle nur in stark reduzierter Form stattfinden kann.

Besonders betroffen sind in dieser Hinsicht auch die Pfleger und Bewohner in vielen Altersheimen, in denen zu spät reagiert wurde, dadurch viele Senioren mit dem Virus angesteckt wurden und leider auch verstarben. Ich bin mir sicher, dass diese Situation die Pflegekräfte in den Betreuungseinrichtungen an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit gebracht hat. Auch denen möchte ich explizit mein Mitgefühl ausdrücken!

Liebe Zuhörer,

was können wir aus dieser Krise lernen? Einerseits, das ist mir wichtig zu betonen, müssen wir diese Situation als Anlass dafür sehen, uns mit eventuell zukünftigen Pandemien auseinanderzusetzen. Wir brauchen einen Masterplan, basierend auf dem aktuellen Kenntnisstand, um zielgerichteter, rascher und vor allem effizienter reagieren zu können. Wir brauchen eine Art Notstandsfonds, der uns erlaubt, in Notstandszeiten Unterstützungsmaßnahmen zu gewähren, ohne dass das Land sich verschulden muss. Andererseits müssen wir aber auch Sorge dafür tragen, dass benötigte Schutzgegenstände, wie Masken, Anzüge usw. in ausreichender Menge und qualitativ hochwertiger Form lagern.    

Leider haben wir in dieser Krise aber auch eines gelernt: trotz unseres Autonomiestatutes stoßen unsere autonomen Kompetenzen oftmals an ihre Grenzen und wir sind von nationalen Entscheidungen abhängig, die unsere lokalen Anstrengungen zur Krisenbewältigung stark verzögern. Ja, auch über weitere autonome Zuständigkeiten müssen wir diskutieren und ich ersuche unsere politischen Vertreter, die Covid-19 Krise als mahnendes Beispiel dafür zu sehen, sich dafür einzusetzen, dass wir in Notstandssituationen nicht mehr so stark am Gängelband des Staates hängen.

Vor allem aber müssen Maßnahmen gesetzt werden, die Konjunktur wieder anzukurbeln, die sogenannte Phase Drei. Und dieses Konjunkturprogramm müssen wir gezielt dafür nutzen, unsere Provinz langfristig zu stärken. Es gilt Beschäftigung zu fördern und zu sichern, in Infrastruktur und Mobilität zu investieren und langfristig geplante Arbeiten vorzuziehen, damit Handwerk und Bauwirtschaft möglichst schnell wieder in Schwung kommen. Vor Investitionen dürfen wir uns nicht scheuen, auch wenn dies nur durch zusätzliche Kredite finanzierbar ist. Die können wir tilgen, wenn der Wirtschaftsmotor wieder läuft und Vollbeschäftigung herrscht.

Auch darf die Krise nicht Ausrede dafür sein, Löhne zu kürzen, denn einen wesentlichen Teil für den zu erwartenden Aufschwung leisten die Arbeitnehmer – das darf in der Debatte nicht vergessen werden!

Und nicht zuletzt müssen wir uns Gedanken machen, ob eine öffentlich finanzierte Rentenabsicherung für Mütter oder Väter, sofern sie wünschen zu Hause bei den Kindern zu bleiben – Stichwort Wahlfreiheit – nicht angegangen werden muss. Dies hätte vielen Familien augenscheinlich stark geholfen.

Abschließend möchte ich an die politischen Entscheidungsträger die Forderung richten, in bester sozialpartnerschaftlicher Manier die Entscheidungen anzugehen, die akut anstehen. Die Gewerkschaften müssen involviert werden – ansonsten besteht die nicht unbegründete Sorge, dass die Wirtschaft über die Bedürfnisse der Arbeitnehmer drüberfährt. Und das muss unbedingt vermieden werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin überzeugt davon, dass wir als sture Tiroler auch diese Situation mit Fleiß und Einsatz meistern werden! Packen wir's an!

Ich wünsche Euch allen einen schönen Tag der Arbeit! Nächstes Jahr, davon bin ich überzeugt, feiern wir wieder gemeinsam in Völs!

Bleibt gesund und optimistisch, Glückauf!"

 

 

VOX News Südtirol / ja