Russlands Weg in die Diktatur

Putins neues Russland und der Buchstabe "Z"

Zu den Randerscheinungen der Kriegsverbrechen und -gräuel in der Ukraine zählt, dass die russischen Invasoren mit einem notdürftig in Weiß aufgepinselten oder aufgesprühten "Z" bzw. einem "V" auf ihrem Kriegsgerät in den Kampf ziehen. Zu Beginn des Überfalls wurde gerätselt, was das bedeuten könnte. Einige Medien berichten nun darüber, dass ausgerechnet das russische Verteidigungsministerium via Instagram über die Bedeutung der Buchstaben informiert hätte. Die Besonderheit daran: Das Kyrillische Alphabet kennt die aus der lateinischen Schrift geläufigen Buchstaben "Z" und "V" überhaupt nicht. Warum sollte die russische Armee folglich Buchstaben verwenden, die weder für einen Russen noch einen Ukrainer verständlich sind? Tatsache ist, gerade auf russischer Seite, in nationalistischen Kreisen, bei zahlreichen Jugendlichen und Befürwortern des russischen Invasionskrieges, haben die Buchstaben längst schon Kultstatus erreicht. Immer häufiger sieht man in den russischen Städten auch ganz normale zivile Fahrzeuge, die wie nach einem gewonnenen Fußballspiel neben der russischen Trikolore auch mit einem großen auf ihrem Fahrzeug aufgeklebten "Z" ausgestattet sind. Während westliche Beobachter die ungewöhnliche Buchstabensymbolik der russischen Streitkräfte bereits als "Swastika"-ähnliches Symbol im Zuge eines neuen russischen Faschismus bezeichnen und Vergleiche mit dem Hackenkreuz gezogen werden, kommt es im Sport mit dieser von der russischen Staatspropaganda geschaffenen Kriegssymbolik zu ersten erschreckenden Vorfällen. So sorgte beim Weltcup der Turner in Doha (Katar) das "Z" für einen ersten Eklat. Dort gewann der 19-jährige Ukrainer Illia Kovtun. Auf der Siegertreppe links neben ihm postierte sich der drittplatzierte russische Athlet Ivan Kuliak. Der 20-Jährige Turner hatte sich auf sein Sporttrikot mit weißem Klebeband ein "Z" als Ersatz verbannter nationaler russischer Symbole aufgeklebt.

Links: Russischer Invasionspanzer mit "Z"-Bemalung und Soldaten mit weißer Armbinde. Rechts: Der russische Athlet Ivan Kuliak (20) mit einem von ihm angebrachten weißen "Z" auf dem Turnertrikot.

Vorfälle, wie jene anlässlich des Weltcups des Internationalen Turnerbundes (FIG) in Doha, sind ernst zu nehmen. Sie sind ganz eindeutig das Ergebnis der russischen Staatspropaganda. Vor allem erinnern sie aber an jene finstere Zeit auf dem europäischen Kontinent, wo Symbole wie das Hakenkreuz zum Symbol für Krieg, Kriegsverbrechen und millionenfachen Mord an unschuldigen Menschen wurde. Doch was war passiert?

Russische Athleten durften noch an diesem Wochenende bei verschiedenen internationalen Wettkämpfen teilnehmen. So auch beim Turner-Weltcup in Doha. Dort galt am Wochenende noch der FIG-Beschluss vom 26. Februar, wonach nach der von Belarus unterstützten Invasion Russlands in die Ukraine nur die Flaggen beider Länder nicht gezeigt und deren Hymnen nicht gespielt werden durften. Es ist somit eines ihrer letzten Schlupflöcher im Weltsport, ansonsten sind beide Länder aus der Gemeinschaft der Athleten mittlerweile auf breiter Ebene verbannt worden. Es stand nun die Siegerehrung des Barren-Wettbewerbs an, der Ukrainer Illia Kovtun (19) hatte gewonnen. Links neben ihm postierte sich der Russe Ivan Kuliak. Er war Dritter und bezog also seinen Platz auf dem Siegerpodest. Der 20-Jährige trug als einziger der Riege sein Wettkampfshirt, vielleicht nicht ohne Grund, die anderen beiden hatten sich jedenfalls bereits die Trainingsanzüge angezogen. Kuliak sorgte in erster Linie mit dem für Aufsehen, was er sich provisorisch im Brustbereich seines Shirts mit weißem Klebeband aufgeklebt hatte: ein "Z".

Was oder wer ihn getrieben hat, war nicht auszumachen. Die Botschaft indes, die er transportierte oder transportieren musste, war eindeutig: pro Putin, pro Krieg. Und das mit dem Ukrainer direkt neben ihm. Eine Reaktion des Weltturnverbandes (FIG) erfolgte dann am Sonntagabend. Die Organisation kündigte eine Bestrafung an.

Doch welche Bedeutung hat das "Z" oder auch das "V", welches sich die russischen Streitkräfte in weißer Farbe auf ihr mobiles Kriegsgerät gepinselt haben?

Der britische Militärexperte Rob Lee - er forscht am King's College London's War Studies Department zur russischen Verteidigungspolitik - stellte etwa die Theorie auf, dass die Bezeichnungen für die unterschiedlichen Destinationen der Konvois stehen. Das schlichte "Z" soll hierbei für Fahrzeuge stehen, deren Ziel in der Stadt Charkiw liegt. Ist der Buchstabe von einem Dreieck eingerahmt, sollen die Regionen Slavyansk und Kramatorsk das Ziel der Operation sein. Ist das "Z" von einem Kreis eingerahmt, handelt es sich um Reservetruppen. Weit aufschlussreicher zur Frage könnte das Instagram-Profil des russischen Verteidigungsministeriums sein. Ein Blick auf die Seiten gibt in der Tat erste Hinweise. 

In der Bildergalerie finden sich alle nötigen Antworten. Ein Bild dort mit einem großen weißen "V" zeigt ein niedergelegtes Maschinengewehr. Darunter steht in Kyrillisch geschrieben "ЗАДАЧА БУДЕТ ВБІПОЛНЕНА", was im Deutschen so viel bedeutet, wie "Die Aufgabe wird abgeschlossen werden". Ein weiteres Bild stellt in schwarz-weiß einen Teil eines historischen Parademarsches von Soldaten der "Roten Armee" dar, daneben in Farbe überlagert ein Ausschnitt eines Soldatenarmes, welcher ein Maschinengewehr bedient. Darunter ist in Form und den Farben des Sankt-Georgs-Bandes ein "Z" abgebildet und in Kyrillisch ist zu lesen: "За победу", was soviel heißt wie "Für den Sieg". Ein weiteres vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Bild zeigt ein historisches Bild von fröhlich zusammenstehenden Sowjetsoldaten verschiedener Ethnien, darunter Soldaten der heutigen russischen Streitkräfte und in Kyrillisch die Schrift: "V ОТВЕТЕ ZA МИР", was in etwa mit "Als Antwort für den Frieden" verstanden werden kann. In einem weiteren Bild steht ein russischer Soldat auf modernem Kriegsgerät. Neben dem "Z" steht in Kyrillisch die Schrift "ЗA МИР" und somit in Deutsch "Für den Frieden". In einem weiteren Bild ist ein Raketenwerfer, welcher Geschosse abfeuert, zu sehen. Neben dem weißen großen "Z" wurde auf dem Bild das "Z" im diesmal englischen Wort "DemilitariZation" ("Entmilitarisierung") hervorgehoben. Und in einem weiteren Bild sitzt ein Soldat im Tarnanzug auf einem Feld neben einem Scharfschützengewehr. Neben dem "Z" steht in Kyrillisch geschrieben "НE ZAбУДЕМ", was im Deutschen soviel heißt wie "Wir werden nicht ...". Was "sie" jedoch "nicht machen werden", verrät diese Botschaft der russischen Kriegspropaganda nicht.

Putins "Z" als neofaschistisches Symbol eines neuen Großrusslands?

Während westliche Beobachter zurecht in dieser ungewöhnlichen Kriegssymbolik der russischen Streitkräfte Vergleiche mit dem Hakenkreuz ziehen und sich im Netz auch entsprechende Karikaturen und durch Bilder zum Ausdruck gebrachte Vergleiche mit dem Hakenkreuz befinden, ist festzustellen, dass in der Tat viele russische Nationalisten und Putin-Unterstützer insbesondere den Buchstaben "Z" sich auf die Türen und Flanken ihrer Fahrzeuge kleben und damit - zusammen mit russischen Fahnen - wie nach dem Sieg eines Fußballspiels triumphierend bzw. siegessicher durch die Städte fahren.

Für die Beliebtheit der im Invasionskrieg gegen die Ukraine eingesetzten Buchstaben, insbesondere des "Z", sorgt letztlich auch die russische Staatspropaganda. So findet auf Sozialen Medien ein kürzlich in Sankt Petersburg aufgenommenes Propagandavideo Verbreitung. Es zeigt einige hundert Jugendliche, welche hoch erhoben russische Fahnen schwingen. Vor den Jugendlichen stehen weitere in schwarz gekleidete Jugendliche. Auf ihren Pullovern ist das neue "Z"-Symbol zu sehen. Im Chor schreit die Gruppe "Für Russland! Für den Präsidenten! Für Putin!". Und auch hier werden Erinnerungen wahr an andere Parolen faschistischer Diktaturen, welche viel Leid der Menschheit gebracht haben. Heißt es in Putins Russland nun "Für Russland! Für den Präsidenten! Für Putin", hieß es andernorts und vor über 80 Jahren "Ein Volk, ein Reich, ein Führer".

Was all diese Symbolik über Russland und auch die politischen Ansichten und Ziele des russischen Präsidenten verrät, will nichts Gutes verheißen. Wladimir Putin will mit dem Krieg in der Ukraine als Wiederhersteller des Großrussischen Reiches in die Geschichtsbücher eingehen. Der Gebrauch der Buchstaben "Z" und "V" als Symbole für Putins Plan zur Umsetzung seiner großrussischen nationalistischen Ambitionen und Ziele, sind ein weiterer Beleg dafür, dass sich Russland zur unverhüllten Diktatur entwickelt.

Putin schreckt nicht mal vor Missbrauch der Friedensfarbe Weiß zurück

In der Ukraine hat man die Symbolik der russischen Invasoren längst schon verstanden. In den Straßen Kiews ist auf Werbetafeln der Buchstabe "Z" bereits abgebildet. Daneben ist auf den Plakaten zu lesen: "Neue Swastika für einen neuen Faschismus". Selbst die weißen Armbänder, welche Teile der russischen Invasionsstreitkräfte in der Ukraine tragen, können dort die Menschen nicht überzeugen, dass es sich bei Putins Soldaten um Leute handelt, die im Rahmen einer "Sonderoperation" ins Land kamen und kommen, um dem ukrainischen Volk den Frieden zu bringen.

VOX-NEWS-Südtirol Quellenverweis: 

  • Zum Instagram-Profil des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation: hier
  • Russisches Propagandavideo aus Sankt Petersburg: hier

 

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VOX News Südtirol / red