An der Freien Universität Bozen werden die Praktikumserfahrungen systematisch erfasst. Hauptthema dieser Umfrage, die seit 2013 vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut in Zusammenarbeit mit dem Praktika- und Jobservice der unibz durchgeführt wird, ist es zu verstehen, ob die Praktikantinnen und Praktikanten für den Praktikumsbetrieb nützliche Aufgaben übernommen haben und ob sie einen realen Beitrag leisten konnten. In der Umfrage von 2020 hat der bislang höchste Prozentsatz an Praktikantinnen und Praktikanten mitgeteilt, dass sie sich selbst als „Ressource“ für das Unternehmen einschätzen: Der Wert liegt bei 91,2% der gesamten Befragten. „Wir sind sehr zufrieden mit diesem Wert, der immer sehr positiv war, aber sich im Jahr 2019 noch weiters verbessert hat“, betont Iris Tappeiner, Leiterin des Praktika- und Jobservices der unibz.
Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Studierenden ihre Praktikumsplätze selbstständig durch aktive Unternehmensrecherche auswählt (42,7%) und „hierbei teilt uns ein beträchtlicher und höherer Prozentsatz an Praktikantinnen und Praktikanten als im Vorjahr (30,3%) mit, dass sie ihren Praktikumsplatz durch ihr Netzwerk an privaten Beziehungen wie Familie, Verwandte, Freunde und Bekannte gefunden haben“, sagt AFI-Forscherin Elisa Ganzer. Zu den wichtigsten Kriterien bei der Auswahl eines Praktikums zählen die Möglichkeit, die gewünschte Tätigkeit (29,6%) in der gewünschten Organisation, Institution oder im gewünschten Unternehmen (28,9%) ausüben zu können.
Die Praktikantinnen und Praktikanten sind im Durchschnitt mit der Praktikumserfahrung sehr zufrieden (der Durchschnittswert liegt bei 6,2 auf einer Skala von 1 bis 7). Im Allgemeinen werden sie gut in das Unternehmen eingebunden und finden ein gutes Arbeitsklima vor, das meistens durch sehr hilfsbereite Arbeitskolleginnen und -kollegen, eine präsente und aktive Unternehmenstutorin bzw. durch einen ebenso qualifizierten Unternehmenstutor, eine korrekte Behandlung und die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen, geprägt ist. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es eine wachsende Anzahl an Befragten, die ihr Praktikum (ca. 65%) auch uneingeschränkt - während weitere 32,5% - es insgesamt weiterempfehlen würden.
Die wichtigsten Erwartungen der Studierenden an das Praktikum sind vor allem die Möglichkeit, Kontakte für einen späteren Einstieg in die Arbeitswelt zu knüpfen (Mittelwert: 5,9 auf einer Skala von 1 bis 7), das im Studium erlernte Wissen in die Praxis umzusetzen (Mittelwert: 5,7) und die Arbeitserfahrung im Lebenslauf anzuführen (Mittelwert: 5,6). „Viele Menschen sehen das Praktikum als einen Moment des persönlichen Wachstums, währenddessen sie sich selbst auf die Probe stellen, ihre Sprachkenntnisse vertiefen, sich bei der Wahl ihres zukünftigen Studienweges orientieren, eine neue Stadt kennen lernen, menschliche Beziehungen aufbauen und sich berücksichtigt fühlen können (Durchschnittswert: 5,3)“, betont Elisa Ganzer.
Angebote für eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem Unternehmen nach Beendigung des Praktikums betreffen vor allem Projektarbeiten (14,4%) oder andere Angebote (23,5%), wie z.B. ein Lehrlingsvertrag zur höheren Berufsausbildung nach dem Studium, ein Berufspraktikum oder ein weiteres Praktikum. „Der Grund für den geringen Anteil an Praktikantinnen und Praktikanten, denen eine weitere Zusammenarbeit angeboten wurde, liegt darin, dass ein großer Teil der Studierenden, die das Praktikum absolvieren, sich mitten im Studium befinden. Darüber hinaus umfasst die Umfrage keine Absolventinnen- und Absolventenpraktika, die auf einen Einstieg in den Arbeitsmarkt abzielen“, sagt Iris Tappeiner.
Die Umfrage zeigt auch, dass die Praktikantinnen und Praktikanten die Attraktivität des Südtiroler Arbeitsmarktes für Hochschulabsolventen schätzen. Unter den positiven Aspekten des Südtiroler Arbeitsmarktes weisen die Studierenden darauf hin, dass es sich um ein Umfeld handelt, welches aus Unternehmen besteht, die in innovativen Sektoren tätig sind und talentierten jungen Menschen viele Chancen bieten. Viele Praktikantinnen und Praktikanten bezeugen, dass Südtirol eine mehrsprachige und multikulturelle Realität ist, die junge Menschen mit guten Sprachkenntnissen in Italienisch, Deutsch und Englisch willkommen heißt. Zu den aufgezählten positiven Aspekten gehört auch die gute Vernetzung von unibz, die sich vermehrt mit lokalen Unternehmen austauscht, um ihnen die notwendigen Berufsprofile bereitzustellen: dies ist ein Vorteil für einen zukünftigen Einstieg in den lokalen Arbeitsmarkt. Zu den Kritikpunkten, auf welche die Praktikantinnen und Praktikanten hinweisen, gehören die Löhne, die in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen und niedriger sind als in den nordeuropäischen Ländern, sowie die Tatsache, dass es in Südtirol nur wenige international tätige Unternehmen gibt.
Die meisten Praktikantinnen und Praktikanten beabsichtigen, sich in Südtirol zu bewerben (32,0%), 25,2% in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, 21,2% in anderen italienischen Regionen und 21,6% im Ausland. Mehr als die Hälfte der Studierenden der Fakultät für Informatik ist nach dem Abschluss darauf ausgerichtet, den Lebenslauf ins Ausland zu schicken (53,3%), während die Mehrheit (61,4%) der Eingeschriebenen der Fakultät für Bildungswissenschaften (die Umfrage schließt Studierende des Masters in Bildungswissenschaften für den Primarbereich aus) beabsichtigt, in die lokale Arbeitswelt einzutreten.
In den offenen Fragen konnten die Praktikantinnen und Praktikanten ihre Anforderungen an die unibz vollständig zum Ausdruck bringen, um für die Praktikumserfahrung besser vorbereitet zu sein und mit mehr Bewusstsein zu starten. 36,5 % möchten, dass die Ausbildung dazu beiträgt, spezifische Fähigkeiten zu entwickeln (z. B. Social-Media-Marketing und grundlegende Buchhaltungskenntnisse), und 34,5% möchten praktische Fähigkeiten erweitern (z. B. Anwendung der Theorie auf praktische Fälle, Einsatz von Laborgeräten und Projektarbeiten). Vor allem die Praktikantinnen und Praktikanten der Fakultät für Bildungswissenschaften (27,7%) erachten es als notwendig, transversale Fähigkeiten zu entwickeln (z.B. Kommunikationsfähigkeiten und das Führen von Interviews). Die Forderung, die Informatikkenntnisse in den Studienplänen in den Mittelpunkt zu stellen, ist marginal: nur 8,6% halten es für notwendig, die Kenntnisse und den Einsatz von Programmen wie Excel zu vertiefen.