Josef Unterholzner

Im Sumpf: "Südtiroler Volkspartei ist ein Sanierungsfall"

Die Südtiroler Landesregierung ist verkleinert. Thomas Widmann folglich gegen seinen Willen draußen und nicht mehr Mitglied der Landesregierung. Vor der Abstimmung konnten die Abgeordneten im Südtiroler Landtag sich zu Wort melden. Und was Josef Unterholzner (Fraktion ENZIAN) dort in Richtung SVP zu sagen hatte, das saß ordentlich. Im Sumpf sei die Südtiroler Volkspartei ein Sanierungsfall und bräuchte eine Interimsführung, so der ENZIAN-Abgeordnete. Die Südtiroler Bevölkerung wünsche sich außerdem, so Unterholzner, eine Sachpolitik, die auf ihre Bedürfnisse und Notwendigkeiten eingeht, während die Wähler eine Machtpolitik bekommen hätten, in welcher interne Kämpfe geführt würden. Laut Unterholzner hätten wohl wahrscheinlich alle die Inhalte der Abhörprotokolle der sogenannten SAD-Affäre schon seit zwei, drei Jahren gekannt. Und was jetzt nach der Veröffentlichung des Buches "Freunde im Edelweiß" somit passiert sei, so Unterholzner, sei nichts anderes als Theater. Der Oppositionspolitiker unterstreicht, dass die Konsequenzen sofort, also vor zwei, drei Jahren gezogen hätten werden müssen und nicht jetzt, so Unterholzner, wo Journalisten ein Buch veröffentlicht hätten. Und Josef Unterholzner macht in seiner Rede klar: Der eigentliche Skandal in der sogenannten SAD-Affäre seien nicht die jetzt veröffentlichten Abhörprotokolle sondern sei die Tatsache, dass LH Kompatscher den ersten öffentlichen Wettbewerb für die Bus-Konzessionen zwei Tage vor Abgabeschluss annulliert hätte. Dies, so Unterholzner, da festgestellt wurde, dass einige Wettbewerbsteilnehmer nicht im einzelstaatlichen elektronischen Register der Güterkraftverkehrsunternehmer (registro elettronico nazionale - REN) eingetragen waren. Zudem seien, was auch SVP Obmann Philipp Achammer öffentlich erklärte, mit dem Buch nur 10 Prozent des ganzen Skandals an die Öffentlichkeit gekommen. Wenn schon, dann muss auch über die Wahlkampfinanzierung der SVP gesprochen werden, so Unterholzner in seiner Rede. Für ihn jedenfalls werde das Thema noch lange nicht abgeschlossen sein. Im Artikel: Der vollständige VIDEO-Mitschnitt der Rede von Josef Unterholzner anlässlich des Sonderlandtages vom 29.04.2022 zur Verkleinerung der Südtiroler Landesregierung. 

Josef Unterholzner (Fraktion ENZIAN) während seiner Rede anlässlich des Sonderlandtages vom 29.04.2022 zur Verkleinerung der Südtiroler Landesregierung. Credits: Südtiroler Landtag

Reden, Debatten und Wortmeldungen im Südtiroler Landtag werden nicht im schmalspurig organisierten Südtiroler Fernsehen übertragen. Es gibt einen vom Südtiroler Landtag organisierten Livestream im Internet und auch die Möglichkeit für die Bürger sich auf den Seiten des Südtiroler Landtagses den entsprechenden Videomitschnitt anzuschauen. Doch wer tut das schon? 

So kommt es, dass die meisten Südtirolerinnen und Südtiroler in der Regel kaum mitbekommen, was die von den Südtirolern in ihren Landtag gewählten Volksvertreter so von sich geben. Am vergangenen Freitag (29.04.) versammelte sich das Landtagsplenum zu einer Sondersitzung. Auf Antrag von LH Arno Kompatscher wurde auf dem Sonderlandtag die Verkleinerung der Landesregierung beschlossen.

Damit steht seit besagtem Freitag fest: Der vom LH bereits zuvor seiner Funktion als Gesundheitslandesrat entbundene SVP-Politiker Thomas Widmann verliert auch seinen Platz in der Südtiroler Landesregierung. Dies gegen seinen Willen und dank des mehrheitlichen Beschlusses der Abgeordneten im Sonderlandtag.

Es ist das zurzeit und augenblicklich die härteste Konsequenz, welche die SVP im Zuge der Veröffentlichung des Buches "Freunde im Edelweiß" zog.

Bevor es jedoch zur Abstimmung über die Verkleinerung der Südtiroler Landesregierung kam, konnten sich die Abgeordneten im Hohen Haus zu Wort melden. Das tat auch der Abgeordnete der ENZIAN-Fraktion im Landtag, Josef Unterholzner.

Und was Unterholzner an die Adresse der Südtiroler Volkspartei zu sagen hatte, hatte es in sich. Unterholzner sprach von einer beschämenden Politik. Die SVP sei "ein Sanierungsfall" und habe eine "Interimsführung" notwendig. Nur so sei es für die Partei möglich "aus diesem Sumpf herauszukommen". Unterholzner beklagt auch die Einseitigkeit des Buches "Freunde im Edelweiß". So fehlen in dem Buch etwa die Abhörprotokolle zwischen Landeshauptmann Kompatscher und dem Kastelruther Busunternehmer Silbernagl. Der eigentliche Skandal in der Affäre, so Unterholzner, sei zudem daß im ersten Anlauf der öffentliche Wettbewerb zwei Tage vor Einreichschluss von LH Kompatscher annulliert worden sei. Weil, so Unterholzner, festgestellt wurde, dass einige Teilnehmer an der Ausschreibung nicht im einzelstaatlichen elektronischen Register der Güterkraftverkehrsunternehmer (registro elettronico nazionale - REN) eingetragen waren.

Überhaupt beklagt Unterholzner den politischen Stil. Die SVP mache keine Sachpolitik für die Bürger. Sie würde hingegen reine Machtpolitik betreiben und die internen Machtkämpfe, welche bereits seit Beginn der Legislatur geführt würden und nicht erst seit Veröffentlichung des Buches "Freunde im Edelweiß", hätten nicht das Wohl und die Interessen der Bürger zum Ziel. Der ENZIAN-Politiker kritisiert auch die Notwendigkeit der Präsenz der meisten Abgeordneten im Südtiroler Landtag. Ihre Anwesenheit sei "umsonst" / vergebens, so Unterholzner, denn die Regierungsparteien würden die Anliegen dieser Mandatare überhaupt nicht ernst nehmen. Er, Unterholzner, hätte daher auch zahlreiche Kollegen im Landtag gefragt, was er denn falsch machen würde, um eben nicht immer nicht ernst genommen zu werden. Als Antwort hätte er bekommen, dass er eigentlich "nichts falsch machen würde", er sei einfach "nur in der falschen Partei". Josef Unterholzner kritisierte diesen Umstand und forderte insbesondere die SVP auf wieder zu einer Sachpolitik für die Menschen und die Bevölkerung zu kommen.

Die Politiker, so Unterholzner, sollten endlich von den Wählern an dem Ergebnis ihrer Leistungen gemessen werden können. Was jedoch derzeit unterm Strich für die Bürger rauskommen würde, sei nur ein "politischer Scherbenhaufen", so Unterholzner in seiner bemerkenswerten Rede.

VOX NEWS Südtirol veröffentlicht nachstehend das Video (Credits: Südtiroler Landtag) mit der vollständigen Rede von Josef Unterholzner (Fraktion ENZIAN) anlässlich des Sonderlandtages vom 29. April 2022 und auch die entsprechende Transkription der Rede im vollständigen und umfassenden Wortlaut.

Transkription der Rede von Josef Unterholzner (Fraktion ENZIAN) während des Sonderlandtages vom 29.04.2022.

"Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ja, liebe 'Freunde im Edelweiß'. So zumindest sehen wir es jeden Tag in den Schlagzeilen. Und so kennen wir es auch vom Buch bzw. dem SAD-Skandal oder der SAD-Affäre. Ich glaube mit dieser Aktion heute wird dieser Sumpf bei weitem nicht trocken. Von der SVP, Herr Landeshauptmann und auch Herr SVP Obmann, ist es sicher ganz schwierig, so einen Haufen zusammenzuhalten. Keine Frage, kein Zweifel, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Das ist schwierig. Und es jedem recht zu machen, ist auch schwierig. Aber was Sie in letzter Zeit hier aufführen. Das ist beschämend. Für die ganze Politik. Es ist beschämend und schadet der ganzen Südtiroler Bevölkerung. Und die Schlagzeilen über den Skandal gehen weit über Südtirol hinaus. Die Leute erwarten sich - egal was passiert -, dass reagiert, gehandelt und verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden. Was will ich damit sagen? Beispielsweise die Aussagen vom Kollegen Widmann. Diese Aussagen kennen Sie doch alle schon, wahrscheinlich bereits schon seit zwei oder drei Jahren. Da muss man sich fragen, Herr Landeshauptmann und Herr Parteiobmann, wieso handeln Sie nicht sofort? Und ich meine sofort, sofort! Sie haben jetzt zwei oder drei Jahre Theater gespielt. Mit uns allen und mit der Bevölkerung. Weil Sie nicht die Wahrheit gesagt haben und auch nicht ehrlich gehandelt haben. Wenn Sie sofort gehandelt hätten, dann könnten wir uns heute dieses Theater alle zusammen auch sparen. Ich verstehe vollkommen, wenn ich einen Mitarbeiter habe, eine enge Vertrauensperson, und die geht / schießt gegen mich los, dann muss ich sie sofort entfernen … und nicht ein Jahr, zwei oder drei Jahre Theater spielen und weiterhin auf Kollege machen und so tun, als ob nichts gewesen und vorgefallen wäre.

Und deshalb braucht die Südtiroler Volkspartei eine Interim-Führung. Das hier ist ein Sanierungsfall. Das versteht sich schon sehr lange so. Aber ihr seid nicht imstande, aus diesem Sumpf herauszukommen. Die Südtiroler Volkspartei ist ein Sanierungsfall und diesen Parteisumpf müsst ihr sanieren und nicht das Ganze auf den Schultern der Bürgerinnen und Bürger austragen.

Und wenn Sie laufend reden vom SAD-Skandal oder von der SAD-Affäre? Der wahre Skandal oder den wahren Skandal hat der Herr Landeshauptmann hervorgerufen, und zwar an diesem Tag, als die Ausschreibung annulliert worden ist, zwei Tage vor Schluss, weil der Grund der Annullierung jener ist, dass einige Anbieter nicht im 'REN-Register' eingetragen waren und sind. Und nicht diese famose Email war der Skandal.

Das jedenfalls hat uns der Stellvertretende Staatsanwalt Andrea Sacchetti im Untersuchungsausschuss zur SAD-Affäre bestätigt. Das ist der wahre Skandal. Und ich? Ich frage jeden, der hier zuhört. Wenn ich als Anbieter am Wettbewerb teilnehme und einen Tag zuvor wird der Wettbewerb annulliert. Man kann zu der SAD und zu Ingemar Gatterer stehen wie man will. Ich sage Ihnen jedoch, ich würde mich auch wehren. Und dieses Thema, sage ich Ihnen, ist noch sehr lange nicht abgeschlossen, weil auch das Buch 'Die Freunde im Edelweiß' dermaßen einseitig geschrieben ist. So gibt es in diesem Buch zum Beispiel kein einziges Abhörprotokoll von den Gesprächen zwischen Landeshauptmann Kompatscher und Silbernagl. Und hier ist der Auslöser zu suchen, warum die Ausschreibung annulliert wurde.

Nur so viel zum Thema, dass man ehrlich und transparent zusammenarbeiten soll. Und deshalb kann ich nur feststellen, was Sie derzeit hier abliefern, ist keine Sachpolitik, sondern eine Machtpolitik. Und ich glaube, dass die Bevölkerung sich ganz etwas anderes erwartet.

Ich glaube, dass die Bevölkerung von den bestbezahlten Leuten, die hier in diesem Landtag anwesend sind, konstruktive und kreative Sachpolitik erwarten und dass entsprechend auch sachpolitische Entscheidungen getroffen werden. Aber es geht hier nur um dieses Wirrwarr und um die Tatsache, dass diese Leute hier laufend oder sehr stark mit ihren internen Machtkämpfen beschäftigt sind. Und das ist seit Beginn dieser Legislatur so und nicht erst seit vorgestern oder seit drei Wochen, als dieses Buch erschienen ist. Dieses Buch, ja, da hat die Bevölkerung Kenntnis bekommen von vielen Sachen. Ja sicher, aber intern kanntet Ihr die Inhalte schon viel länger, sehr viel länger. Das ist auch ganz klar. Und ich zitiere da Parteiobmann Philipp Achammer der auf RAI Südtirol in der Sendung 'Pro & Contra' gesagt hat, dass das aller nur ein sehr kleiner Teil ist, was das Buch beschreibt. Und zwar genau nur 10 Prozent von der ganzen Affäre. Also das ist nicht meine Aussage, sondern die Aussage von Obmann Achammer. Und wenn, dann decken wir alles auf. Dann kommt die ganze Wahlfinanzierung ans Tageslicht. Und vieles weiteres mehr, wo dann alle sehen, wie Ihr euch nur gegenseitig bekämpft. Aber sicher werdet Ihr dann auch noch übermorgen zu einem Unternehmen gehen und sagen, jetzt brauchen wir wieder ein paar Spenden, weil jetzt würden 'wir' gerne, jetzt würde 'ich' wieder gerne gewählt werden. So geht man mit niemanden um.

Und hier fehlt Vertrauen, Zuverlässigkeit und gegenseitiger Respekt. Und das sollte man irgendwann lernen. Ich hoffe, dass das eine ganz starke Lernlektion ist, was derzeit hier abgeht. Und ich hoffe, dass jeder aus solchen Situationen lernt.

Und ich ersuche Euch rauft / kämpft Euch intern zusammen. Es wird jetzt mit Sicherheit keine Lösung sein, wenn jetzt einer von Euch gegangen wird oder gehen muss. Das ist zu spät. So etwas hätte man sofort machen müssen, wenn man eine ordentliche Führung hat, wenn man eine Führungspersönlichkeit ist. Das gilt für Sie, Herr Landeshauptmann, und das gilt für den Herrn Obmann. Aber weil Sie keine Erfahrung haben, keine 'Palle' haben und keine Eile haben – das ist so, leider Gottes, das zeigt sich praktisch jeden Tag und das lebt Ihr auch jeden Tag – wird aufgrund fehlender konsequenter Entscheidungen nicht im Sinne der Südtiroler Bevölkerung entschieden. Ihr könnt mich da gerne auch auslachen. Andererseits können wir auch alle Personalprofile durchleuchten und schauen, wer im Leben was gemacht hat und wer nicht. Schauen wer nichts gemacht hat oder weniger gemacht hat. Sicher, jeder der arbeitet macht Fehler und trifft auch Fehlentscheidungen. Auch ich habe mit Sicherheit am meisten Fehlentscheidungen getroffen in meiner Firma, weil eben ich es war der wahrscheinlich am meisten Entscheidungen getroffen hat. Das ist legitim, aber man sollte halt irgendwann daraus lernen. Irgendwann! Und wenn schon: Wenn so was herauskommt wie beim Fall Widmann – auch ich hatte so eine ähnliche Geschichte erlebt in meinem Unternehmen – dann ist innerhalb von Stunden zu entscheiden. Und die Sache ist nicht zwei, drei Jahre mitzuschleppen. Und man wartet auch nicht ab bis einige Journalisten dann kommen und die Sache an die Öffentlichkeit bringen. Dies mit der Wirkung, dass im Anschluss ein riesengroßer Casino um die Sache entsteht. Und dies dann alles zum großen Schaden der Politik. Und zu Recht hat die die Bevölkerung kein Vertrauen mehr. Und zu Recht geht die Bevölkerung nicht mehr an die Urnen zum Wählen. Weil sie sich sagt 'was soll man wählen?' Bzw. sie sagen 'die haben ja keinen Respekt mehr'.

Und deshalb ersuche ich, schaut diese Sachen intern in der SVP zu regeln. Und noch etwas ist sicher: Auch wenn der Widmann weg ist, wird das nicht aufhören. Es ist generell dieser Sumpf trocken zu legen, so dass man sagt, jetzt sind wir eine starke Mannschaft. Deshalb und aus diesem Grund braucht die Südtiroler Volkspartei eine Interim-Führung und keine in der Landesregierung.

Aufgrund dieser Überlegungen würde ich gerne zustimmen für eine Reduzierung, nicht nur für die Landesregierung, auch für den Landtag, weil die meisten Leute hier in diesem Landtag sind umsonst hier. Und alles was wir machen genauso. Ja, das ist so. Und der Grund dafür ist, weil wir nicht ernst genommen werden. Ich habe viele Kollegen von Euch gefragt, 'was mache ich falsch?' Und mehre Kollegen haben mir dann geantwortet: 'Nein, du machst gar nichts falsch.' Und sie fügten dann hinzu: 'Du bist nur bei der falschen Partei.' Ja, hallo? Was? Was machen wir? Sachpolitik? Oder machen wir Parteipolitik?

Ich sage Euch jetzt: Hört auf mit dieser Parteipolitik? Kümmert Euch endlich für die Belange der Menschen draußen und hört auch auf mit Euren Machtkämpfen, auch wenn Ihr hier nun wieder alle schön in Euren Sesseln sitzt und Euch vormacht: 'So, jetzt ist wieder Friede.' Intern ist es nicht so! Ändert das, schaut das in den Griff zu bekommen, im Interesse und im Sinne der Bevölkerung. Und so wie es der Abgeordnete Leiter-Reber gesagt hat: 'Es zählt die Leistung!'. Nein! Es zählt nicht die Leistung sondern es zählt das Ergebnis. Es zählt das Ergebnis, was unten herauskommt. Das zählt. Und was derzeit unten herauskommt bzw. was Ihr derzeit hier abliefert, ist ein Scherbenhaufen. Das ist das Ergebnis: ein Scherbenhaufen! Und die Bevölkerung draußen, die Steuerzahler, die uns hier in diesem Haus bezahlen, unsere Chefs sozusagen, sind die Leidtragenden. Danke."

VOX News Südtirol / ts