Tierschutz in Südtirol

Geld oder Leben?

Tierschutzvereine gäbe es in Südtirol genug, und auch Gesetze wären da, aber eine realistische Umsetzung derselben zum Schutz der Tiere scheine manchmal schwierig. Tierrettern bleibe manchmal kein anderer Ausweg, als Tiere in schlechter Haltung illegal in einer Nacht- und Nebelaktion zu "verschleppen", an einen besseren Ort, in eine bessere Welt, oder reichlich Geld zu berappen, um dem Besitzer die Tiere abkaufen zu können.

So geschehen letztlich in einer Burggräfler Gemeinde. Ein Bauer habe dort seit längerer Zeit schon einen Stall in Miete, vor allem für seine Haflinger Pferde, deren Zucht er frönt - sofern es sich für ihn finanziell rechnet. Aufgenommen habe er vor einigen Jahren auch einen Esel und ein Pony im Auftrag einer recht tierliebenden doch betagten Dame, gegen Bezahlung, versteht sich. Schon länger seien Stimmen in Tierliebhaberkreisen umgegangen, dass keines der Tiere je das Tageslicht sehen würde und dass gerade besagtes Paar, Esel und Pony, schlecht gehalten würde.

Der Fall wurde Sonja Meraner, Präsidentin des Tierschutzvereins "Südtiroler Tierparadies hilft" gemeldet. Nach ihrem Augenschein vor Ort war klar, dass die Tiere zum ihrem Schutz sofort aus dem Stall genommen werden müssten. Es sei fünf vor zwölf gewesen. Die Tiere seien unterernährt gewesen und voll von Parasiten. Der Esel hätte zudem dringend operiert werden müssen, wegen eines schwärenden schmerzhaften Abszesses über dem Auge – der, wer weiß wie lange schon, nicht kuriert wurde, sondern nur mit einem Faden abgebunden.

Und jetzt kommt des Südtiroler Tierschutzes angeblicher Haken: der Tierschutzverein und die Carabinieri haben kein Recht, die Tiere zu beschlagnahmen. "Im schlimmsten Falle wird der Bauer misstrauisch und wütend, und am nächsten Tag sind die Tiere sowieso nicht mehr da", sagt Sonja Meraner. Selbstsicher indes gibt sich der Bauer: "Der Amtstierarzt kommt ein- bis zweimal im Jahr, und er sagte, es wäre alles in Ordnung."

Geld her oder ich "verwurschte sie"

Die Spitze des Eisbergs: der Bauer verlangte als Ablöse für Esel und Pony 1.450 Euro, "ansonsten verwurschte ich sie", wie er sagte – übrigens nicht der erste Versuch des Bauern, Tierliebhaber auszunehmen wie einen Weihnachtskarpfen.  

Weil das Geld nicht so schnell aufgetrieben werden konnte - 3000 Euro inklusive Ablöse, Tierarztkosten, Operation und Kastration - wurde sogar Landesrat Arnold Schuler über diesen Fall informiert. Der Kaufpreis sei viel zu hoch, stellte auch Schuler fest, und er machte den Vorschlag, "jemanden hinzuschicken" – was allerdings nur dann Sinn machen würde, wenn die Möglichkeit bestünde, die Tiere auf der Stelle zu beschlagnahmen.

Tatsächlich bestehe eine Möglichkeit der sofortigen Beschlagnahmung, wie Schuler erklärt. Dazu müsse der Amtstierarzt vor Ort einen Augenschein durchführen und ein entsprechendes Gutachten ausstellen, welches den Bürgermeister der Gemeinde alsdann verpflichten würde, die Tiere sofort zu beschlagnahmen.

Im landestierärztlichen Dienst und dem Amtstierarzt liege aber das Problem, meint Sonja Meraner. Deshalb habe sie im konkreten Fall den Amtstierarzt gar nicht involviert. "Wie oft haben wir Meldungen gemacht, dann gehen einige Wochen rum, bevor überhaupt jemand hingeht, wir wissen das dann auch nicht. Ich habe schon öfters den Vorschlag einer besseren Zusammenarbeit gemacht, dass also der Tierschutzverein mit dem Amtstierarzt hingeht oder zumindest über das weitere Vorgehen informiert wird, aber das will der landestierärztliche Dienst nicht", sagt Meraner. Es seien ihr  genug Fälle bekannt, in denen eine Meldung beim landestierärztlichen Dienst gemacht wurde, aber dann gar nichts passiert ist, nicht einmal eine Begutachtung. "Wenn der landestierärztliche Dienst handeln würde und zwar zeitnah, müssten wir die Tiere nicht freikaufen", sagt Meraner.

Zusammenarbeit mit Amtstierärzten verweigert?

Christian Piffer, Verantwortlicher des tierärztlichen Dienstes des Südtiroler Sanitätsbetriebes weist diese Vorwürfe zurück. "Wir gehen ausnahmslos jeder Meldung nach", sagt Piffer, "und wir tun, was wir können. In manchen Fällen ist das schwieriger für uns, in manchen weniger." Es gäbe sehr wohl eine Zusammenarbeit mit den Tierschutzvereinen, aber das würde auch von der Bereitschaft des jeweiligen Tierschutzvereines abhängen.

"Wir können nicht jede Information über unsere Vorgehensweise in einem Fall mitteilen, weil das unter die Privacy fällt, aber generell bekommt jeder Tierschutzverein bei uns Auskunft. Meine Tür ist immer und für jeden offen", betont Piffer. Dass auch er sich an bestimmte behördliche Vorgangsweisen halten muss, die vielleicht manchmal etwas länger dauern würden oder unkomplizierter sein könnten, dass auch sein Dienst nur im Rahmen der bestehenden Tierschutzgesetze handeln könnte, obwohl er manchmal gerne darüber hinaus tätig sein würde, sei nicht von der Hand zu weisen.

In bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Nutztierhaltung, seien die Vorgaben sehr viel genauer als in der Haustierhaltung. Regeln gäbe es dabei nur für die Hundehaltung. Die Verpflichtung, jedes Tier artgerecht zu halten, sei recht vage, weil zu definieren sei, was artgerechte Haltung für die jeweilige Tierart bedeute. Der Bezug zu den Tieren habe sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, deshalb erfahre das Tierschutzgesetz eine dauernde Entwicklung. "Das Tierschutzgesetz hat sich bis jetzt fast ausschließlich auf die physischen Mängel oder Gegebenheiten bezogen, immer wichtiger wird es aber jetzt, auch das physische Wohlbefinden der Tiere mit einzubeziehen", ist Piffer überzeugt. "Einem Tier sollte es, einfach gesagt, rundum gut gehen, das sage ich als Privatperson."

Dr. Alberto Covi, Koordinator der Amtstierärzte Brixen, war 2018 bei einem aufsehenerregenden Fall in Wiesen tätig. Ein Bauer hatte seine Kühe verenden lassen. 18 Kühe und ein Kalb waren bereits seit mehr als einem Monat tot und lagen noch immer in ihrem eigenen Mist. 9 Kühe konnten gerade noch gerettet werden. Covi bringt es auf den Punkt: "Wenn dieser Bauer sich morgen entscheidet, wieder Kühe zu halten, kann ich dagegen sein oder dafür, das ändert nichts an der Tatsache, dass er das Recht dazu hat, denn das Tierschutzgesetz sieht ein Tierhalteverbot von einem Jahr vor und nicht mehr."

Jedem Tier soll es rundum gut gehen

Paolo Zambotto, Direktor des Landestierärztlichen Dienstes, versucht, Ordnung zu bringen in die Hasenkiste. Heute tendiere man dazu, die Gesetze so leicht und damit umfassend wie möglich zu machen, denn genaue Vorgaben würden nicht immer die jeweilige Situation berücksichtigen, erklärt Zambotto. Ist der Platz, den eine Kuh für den Liegeplatz haben muss, genau vorgegeben, geht dieser für die eine Kuhrasse vielleicht gut, für die andere ist er zu klein. Das Gesetz müsse lauten: der Kuh muss genügend Platz zur Verfügung haben, um bequem zu liegen. Auch er sieht die Zusammenfassung aller Tierschutzgesetze in einer Aussage: jedem Tier soll es rundum gut gehen.

"Nicht jeder Tierschutzverein lehnt die Zusammenarbeit mit dem tierärztlichen Dienst ab oder hat schlechte Erfahrungen damit gemacht. Nicht alle Amtstierärzte sind gleich. Leider können wir uns die Amtstierärzte nicht aussuchen, weil ohnehin Personalmangel besteht. Natürlich baut ein Amtstierarzt in seinem Gebiet Beziehungen auf, aber wenn er seiner Arbeit im Tierschutz nicht mehr richtig nachkommt, weil er zu feige dazu ist oder wie auch immer, dann muss das seinem Vorgesetzten gemeldet werden, auch schriftlich. Ein Amtstierarzt hat mit den Gesetzen, auch wie sie jetzt sind, jede Handhabe, die Tiere zu schützen und auch eine sofortige Beschlagnahme zu veranlassen", sagt Zambotto. Im Falle unseres Bauern findet er es schade, dass der Fall nicht gemeldet wurde, denn sollten die Angaben stimmen, hätte er mit der Vernachlässigung der Tiere eine strafbare Handlung begangen, und ebenso mit seinen Drohungen und Erpressungen.

Ebenso schade finde er es, dass sich manche Tierschutzvereine strikt gegen eine Zusammenarbeit weigern würden, warum auch immer. Leider gäbe es im Tierschutz immer wieder auch solche Menschen, die das Zepter nicht aus der Hand legen  wollen, ihnen ginge es mehr um eine Profilierung über diese Plattform als um den Tierschutz selbst, und der Neid im Tierschutz wäre unverständlich groß. "Die Wahrheit ist ein zerbrochener Spiegel und jeder Tierschutzverein hat ein Stückchen davon im Sack, und nur gemeinsam lässt er sich zusammenfügen, das müssten die Tierschutzvereine einmal verstehen", sagt Zambotto. Und sicher wäre es auch interessant zu wissen, wie sich der Verein verhalten hätte, im Falle der Amtstierärzte, mit denen die schlechten Erfahrungen bestehen würden.

Sollten mangelnde Kommunikation und Verständnisprobleme die Ursachen allen Übels sein? Dann wäre sicher auch eine Lösung in Sicht. Das Landestierschutzgesetz jedenfalls sei nunmehr 20 Jahre alt und würde demnächst überarbeitet werden. Ob noch in diesem Jahr oder im nächsten, sei dahingestellt. Und auch Zambotto sieht die Quintessenz des Tierschutzes in einem Satz: "Jedem Tier soll es rundum gut gehen."

Abschließend noch das Happy End in unserem Fall: Esel und Pony sind jetzt in Sicherheit, an einem besseren Ort, in einer besseren Welt. Sie sind tierärztlich versorgt und mit allem, was sie brauchen, auch mit Liebe.

Karin Renee Egger