Heuer hat der internationale Tag der Frau eine besondere Bedeutung, nicht nur wegen der vielen Jahre, die Frauen immer noch auf eine gleichberechtigtere Welt warten, sondern auch wegen der Corona-Pandemie, die besonders von Frauen viele Opfer verlangt und eine Rolle rückwärts in Sachen Frauenrechte bewirkt hat. Es hat sich nämlich bestätigt, was viele vorausgesagt haben: Frauen zahlen in der Krise einen hohen Preis und spüren vorwiegend die sozialen und ökonomischen Folgen. Einige sprechen bereits von einer weiblichen Rezession ("Shecession“ zusammengesetzt aus "she" und "recession").
Der Applaus auf den Balkonen ist verhallt, nun müssen Taten folgen, um die Rechte aller Frauen zu stärken und eine gleichberechtigte Gesellschaft herzustellen. Homeschooling, Homeoffice und die tägliche Arbeit aller Frauen, nicht nur, aber auch in systemrelevanten Berufen, haben aufgezeigt, dass ohne diese Heldinnen das System zusammenbrechen würde, zum Leidwesen der gesamten Gesellschaft.
Bereits die Schließung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen hat eine Kernproblematik der Geschlechtergleichstellung offengelegt: Die ungleiche Verteilung der unbezahlten Familien- und Pflegearbeit. Bereits vor der Corona-Pandemie haben italienweit 37.611 Mütter im Vergleich zu 13.947 Väter gekündigt. In Südtirol waren es im Jahr 2019, laut Arbeitsinspektorat, 847 Mütter und 225 Väter. Der Grund der am häufigsten von den Frauen angegeben wurde, war die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei den Männern war es ein Betriebswechsel.
Mit der Corona-Pandemie hat sich diese Situation zusehends verschärft: Geschlossene Betreuungs- und Bildungseinrichtungen und der Ausfall essenzieller Dienste haben die Frauen ins Private zurückgedrängt. Verschärft durch die Tatsache, dass laut dem nationalen Statistikinstitut ISTAT der Großteil der verlorengegangenen Arbeitsplätze, rund 72 Prozent, Frauen betrifft.
Das Thema der Ungleichbehandlung von Frauen in der Arbeitswelt wird damit plötzlich besonders greifbar: Frauen arbeiten in erhöhtem Maße in Sektoren, die von der Krise besonders betroffen sind, in prekären Arbeitsverhältnissen oder als Selbstständige.
Laut den aktuellen Daten der Beobachtungsstelle des NISF/INPS bekamen Frauen in Trentino-Südtirol vor der Pandemie im Durchschnitt 735 Euro Altersrente, Männer erhalten 1.433 Euro. 79 Prozent der Frauen müssen mit einer Altersrente von unter 1.000 Euro auskommen, bei den Männern sind es nur 34 Prozent. Wenn dem nicht gegengesteuert wird, wird sich die Rentenschere noch weiter ausdehnen und viele Frauen in die Altersarmut führen.
Auch die zunehmende Gewalt an Frauen ist erschreckend. 15 Feminizide in Italien seit Jahresbeginn sind nur ein kleiner Teil der vielen Frauen, die tagtäglich Opfer von Gewalt werden und deren Leid nicht gesehen wird, teils, weil es hinter verschlossenen Türen stattfindet, teils, weil die Gesellschaft wegschaut und damit Gewalt zulässt.
Dazu kommt, dass in der politischen Debatte diese Themen kaum präsent sind. Frauen fehlen in den (politischen) Entscheidungsgremien, Gleichstellungsthemen wurden und werden im Umgang mit der Pandemie ausgeklammert.
Frauen wollen und dürfen somit nicht nur mitgemeint sein, sondern wollen aktiv ihren Beitrag leisten, damit die Pandemie bekämpft und Frauen nicht weiterhin die vorwiegend Leidtragenden sind. Deshalb haben die Vereinten Nationen das heurige Jahr unter folgendes Motto gestellt: "Frauen in Führung: für eine gleichberechtigte Zukunft in einer Covid-19 Welt!“
Auch in Südtirol haben verschiedene Organisationen, Verbände und Institutionen immer wieder auf die Problematiken aufmerksam gemacht und zum Handeln angeregt. Den 8. März nutzen sie, um erneut ihre Forderungen für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu stellen:
Die unterzeichnenden Organisationen und Interessensvertretungen sind sich einig, dass es mehr denn je wichtig ist, auf die Schieflage in der Geschlechterparität aufmerksam zu machen und konkrete Handlungen einzuleiten.